Mit Appellen für den Erhalt der freiheitlichen Demokratie und Dank an die europäischen Nachbarstaaten ist bundesweit der 30. Jahrestag des Mauerfalls am 9. November 1989 gefeiert worden. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier dankte vor Zehntausenden Menschen am Brandenburger Tor in Berlin den Ostdeutschen für die friedliche Revolution und den Mauerfall. "Sie, die Mutigen in der DDR, haben Geschichte geschrieben: Demokratiegeschichte, Weltgeschichte. Dafür können ihnen wir auch 30 Jahre später nicht dankbar genug sein", sagte Steinmeier.

Aber die Mauer sei nicht einfach gefallen. Durch die Entspannungspolitik des früheren sowjetischen Staats- und Parteichefs Michail Gorbatschow sei sie brüchig geworden und die Menschen in Polen, Ungarn, Tschechien und der Slowakei hätten sie mit ihrem Mut ins Wanken gebracht. "Wir danken Euch dafür", sagte der Bundespräsident.

Steinmeier lobte zugleich die Rolle der USA. Er rief dazu auf, die im Land neu entstandenen unsichtbaren Mauern aus Frust, Wut, Hass, Sprachlosigkeit und Entfremdung einzureißen. Diese hätten wir selbst gebaut. Und nur wir selber könnten sie einreißen. "Einheit, Freiheit, Demokratie – das haben die Mutigen damals erkämpft. Welch ein großartiges, welch ein stolzes Erbe. Machen wir was draus!"

Bundeskanzlerin Merkel zu Mauerfall und Gedenken an 9. November

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bezeichnete bei einem Gedenken in Berlin den 9. November als einen Schicksalstag der Deutschen. In ihm spiegelten sich sowohl die glücklichen als auch die fürchterlichen Momente der deutschen Geschichte wider.
Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) würdigte die friedliche Revolution als gewaltige Leistung. "Sie war ein Aufstehen, das gewaltlos war, aber voller Wucht", sagte Müller. Der Mauerfall und die Wiedervereinigung wären nicht möglich gewesen ohne die Alliierten und die Menschen in den europäischen Nachbarstaaten. An der Festveranstaltung nahmen Vertreter von über 20 Staaten teil darunter die Staatsoberhäupter von Polen, Ungarn, Tschechien und der Slowakei.

Die frühere DDR-Bürgerrechtlerin und ehemalige Stasi-Unterlagenbeauftragte Marianne Birthler sprach von einem unfassbaren Glück, als freie Bürgerin in einer freien Stadt leben zu können. Wer sich heute für Klimaschutz einsetze und gegen weltweites Unrecht, Hass und Ausgrenzung seine Stimme erhebe, stehe in der Tradition der "89er", sagte Birthler.

Grenzübergang Marienborn

Bei einer Festveranstaltung der Länder Sachsen-Anhalt und Niedersachsen am ehemaligen Grenzübergang Marienborn betonte Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU), Freiheit und Demokratie seien keine Selbstverständlichkeiten. Dies dürfe nicht in Vergessenheit geraten. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weill (SPD) nannte die deutsche Einheit ein "bis heute ein nahezu unfassbares Wunder".

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sagte bei einer Feier in Plauen mit Bayerns Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU), das wiedervereinigte Land, "in dem wir heute leben, ist sicherlich nicht perfekt. Aber wir leben im besten Deutschland, das wir je hatten."

Der Berliner evangelische Bischof Markus Dröge betonte, auch 30 Jahre später sei es Aufgabe eines jeden Einzelnen für Frieden zu sorgen: "Wir müssen ihn lernen, für ihn arbeiten", sagte Dröge bei einer Andacht in der Kapelle der Versöhnung auf dem früheren Mauerstreifen.

Regionalbischöfin Greiner: Mauerfall ist "Wunder der Geschichte"

Für die Bayreuther Regionalbischöfin Dorothea Greiner ist das unblutige Ende der Massendemonstrationen in der DDR kurz vor dem Mauerfall "ein Wunder der Geschichte". Bei einem Gottesdienst zum Gedenken an 30 Jahre Grenzöffnung in der Kirche St. Michael in Ludwigsstadt sagte sie, dazu habe neben vielen politischen Faktoren vor allem der Friede beigetragen, den die Menschen damals verströmt hatten, als sie mit brennenden Kerzen aus den Montagsgebeten in der Leipziger Nikolaikirche kamen.

In den Worten des damaligen DDR-Ministerratsvorsitzenden Horst Sindermann - "Mit allem haben wir gerechnet, nur nicht mit Kerzen und Gebeten" - spiegele sich die Kraft der von Jesus ausgehenden gewaltlosen Feindesliebe. Die Folgen des Unrechtsregimes reichten bis in die Gegenwart, "denn auch heute noch ist die Unterscheidung von Tat und Mensch gefordert", sagte die Regionalbischöfin: "Die Liebe gilt nicht der Tat, sondern den Menschen." Diese Liebe könne schwer sein, aber Christus führe den Weg der Vergebung - auch denen gegenüber, die es nicht für nötig hielten, darum zu bitten, erläuterte sie.

Die Grenzöffnung 1989 veränderte das Leben und das Lebensgefühl der Menschen im oberen Frankenwald von Hof bis Ludwigsstadt entscheidend. Bis zum Tag der Grenzöffnung waren viele Orte von einer oder sogar mehreren Seiten von der Grenze umgeben. Für Jahrzehnte kappte die innerdeutsche Grenze Zugverbindungen, Straßen sowie Handels- und Wirtschaftskontakte und trennte Familien und Freunde. Durch die Grenzöffnung wurden die thüringischen und sächsischen Orte wieder zu Nachbarn.