Es ist ein imposanter Anblick, wenn ein Pfau sein schillerndes Rad spannt. Federkielsticker denken bei diesem Anblick jedoch vielleicht schon an ihr nächstes Projekt. Die junge Frau im Aufbaukurs "Federkielsticken" am Trachten-Informationszentrum (TIZ) in Benediktbeuren spaltet langsam und genau den Federkiel einer Pfauenfeder der Länge nach mit einem Messer in feine Streifen.

Das ist schwierig, denn alle Streifen müssen die gleiche Breite habe. Bunte Garne oder Fäden sucht man beim Federkielsticken vergebens: "Die Federkiele selbst sind das Stickmaterial", sagt Referentin Katharina Stuefer.

Federkielsticken in Benediktbeuren

Die Südtirolerin aus dem Sarntal unterrichtet heute vier Frauen und vier Männer. Die Grundlagen der Federkielstickerei haben sie schon letztes Jahr bei Katharina Stuefer gelernt. Nun geht es um die Feinheiten.

"Wir sticken jetzt unterschiedliche Randnähte", sagt 56-Jährige. "Es gibt gerade und quere Stiche". Außerdem wird das Aufspalten der Kiele geübt. "Darin liegt das Geheimnis", nur so viel verrät sie ihren Schülern. Der Kniff bleibt ihr Betriebsgeheimnis - jeder Federkielsticker muss ihn selbst für sich entdecken.

Werkstatt mit Federkielen

Katharina Stuefer ist Meisterin für das filigrane Handwerk und hat seit 35 Jahren eine eigene Werkstatt. "Es ist faszinierend, wenn man etwas anfertigen kann, das einen überdauert", sagt sie. Ihr Wissen gibt die Sarntalerin gerne weiter. Eine Modistin aus dem Landkreis Bad Tölz möchte für ihren Freund Hosenträger besticken, nach altem Muster, wie in der Gemeinde üblich.

"Federkielen sind zugleich ein sehr feines und grobes Material", findet sie.

Seit jeher gehört die Federkielstickerei zur Tracht, und Tracht ist seit 20 Jahren das Kernthema des TIZ. Untergebracht im historischen Maierhof im Kloster Benediktbeuren präsentiert es 20.000 originale Kleidungsstücke und Accessoires aus der Region sowie rund 40.000 Bildbelege und eine Bibliothek. Mit Hilfe seines Kursprogramms unterstützt das TIZ die Weitergabe alten Kunsthandwerks wie dem Federkielsticken. In Handarbeit entstehen dabei prächtige Gürtel und verzierte Schuhe.

Kunsthandwerk für die Tracht

Seit 200 Jahre wird das Kunsthandwerk in Bayern, Oberösterreich und Südtirol gepflegt. Heutzutage gibt es nur noch wenige Federkielsticker. "Wichtig ist, dass die Federkielstickerei der Zeit angepasst wird", sagt Stuefer. "Bewahren und weitergeben" sei das Motto.

Auf dem Fußboden liegen Pfauenfedern und mehrere Bündel der dünngeschnittenen Streifen. "Ende Juli, Anfang August mausern die Vögel. Die Männchen verlieren dann ihre Schwanzfedern", sagt die Fachfrau. Sie setzt sich auf ihr Nährossl - ein länglicher Holzhocker, auf dem eine Klemmvorrichtung montiert ist.

In die Vorrichtung spannt sie ein Stück rotes Leder ein. Der Federkiel wird in Rind-, Kalbs- und Ziegenleder gestickt. Auf das Leder ist mit weißer Tusche ein Ornament gezeichnet, das mit Hilfe von Pauspapier aufgetragen wurde.

Hosenträger und andere Trachtenbekleidung bestickt mit Federkielen
Seit 200 Jahren werden Hosenträger und andere Trachtenbekleidung mit den Federkielen von Pfauenmännchen bestickt.

Doch zuallererst entwerfen die Sticker ihr Motiv. "Man ist komplett frei in der Wahl. Es können Initialen sein, ein Zunftzeichen oder eine Jahreszahl", sagt Stuefer. Das Wappen ihres Heimatdorfes will eine Teilnehmerin aus einer Gemeinde bei Mittenwald sticken. Ein 60-Jähriger aus Bad Wiessee verschönert sein Sitzkissen mit einem Edelweiß und einer Tulpe.

Katharina Stuefer beginnt: Sie zeigt auf eine Ahle - eine flach geschliffene Nadel mit einem Holzgriff. "Man benutzt vier, manchmal auch fünf verschiedene", erklärt sie. Jede Ahle definiert eine bestimmte Lochgröße. Dann zieht sie einen Streifen aus dem Bündel. Mit der Ahle sticht Stuefer ein Loch in das rote Lederstück. Sie zieht den Federkielstreifen durch. So geht es weiter, Loch für Loch. Geduld, Sorgfalt und Liebe zum Detail braucht man, um dieses Kunsthandwerk auszuführen.

Das seltene Handwerk verknüpft für Katharina Stuefers Schüler an diesem Tag Leidenschaft, Ästhetik und Technik. "Das ist eine schöne Methode, um etwas zu verzieren", sagt eine gelernte Sattlerin, die beim Federkielsticken ein neues Hobby entdeckt hat. Trocken kommentiert der Teilnehmer aus Bad Wiessee sein Engagement für die alte Kunst: "Man lernt nie aus".