Umweltschäden durch die Landwirtschaft in Deutschland werden auf rund 90 Milliarden Euro taxiert. Das geht aus dem Abschlussbericht der Zukunftskommission Landwirtschaft des Bundeslandwirtschaftsministeriums hervor. Diese Kosten werden allerdings nicht den Herstellern und ihren Produkten angelastet, sondern bleiben an der Allgemeinheit hängen.

Eine Studie der TU München hat dagegen ergeben, dass Öko-Bauern für Umweltschäden in Wert von 1,5 Milliarden Euro verantwortlich sind. Damit befasste sich eine Podiumsrunde "Ernährungswende schaffen, wahre Preise etablieren" im Kongressteil der Nürnberger Weltleitmesse Biofach.

Ernährungswende durch mehr Bio-Lebensmittel

Doch der Weg zu einer Ernährungswende durch mehr Bio-Lebensmittel ist noch lang. Zwar bekräftigte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) bei der Biofach das Ziel, bis zum Jahr 2030 einen Anteil des Ökolandbaus von 30 Prozent zu erreichen. Doch auch dieses Etappenziel beendet nach den Worten von Andreas Swoboda, Verbandsvorstand der Assoziation ökologischer Lebensmittelhersteller (AÖL) und Chef einer Bio-Bäckerei in Fulda, nicht den Wettbewerbsnachteil, den Bio-Betriebe durch ihr nachhaltigeres Wirtschaften hätten.

Die aufwändigere Herstellung von Bio-Lebensmitteln werde am Markt nicht belohnt, sondern schlage sich an der Ladentheke mit oftmals höheren Preisen nieder. Er gewähre nach traditioneller Handwerksart seinen Brötchen und Broten 30 Stunden Teigruhe. Im Gegensatz zu der beschleunigten Variante mit drei Stunden würden seine Brötchen besser schmecken und Gluten sei weitgehend abgebaut, erklärte Swoboda. Aber Bio-Rohstoffe und aufwändigeres Backen würden sich in den Kosten niederschlagen.

Er forderte: "Als Ausgleich müssten konventionelle Waren teurer sein".

Weil das in der derzeitigen Lage mit hohen Energiepreisen und Inflation politisch kaum durchzusetzen sei, "müssen wir eben Bio-Produkte billiger machen und die Mehrwertsteuer streichen".

Sarah Wiener prangert fehlendes Verursacherprinzip an

Starköchin Sarah Wiener, zugleich Abgeordnete für die Grünen im Europaparlament, per Videozuschaltung in der Diskussion dabei, stellte das fehlende Verursacherprinzip an einem Beispiel aus Frankreich dar. Dort seien etwa 20 Prozent des Trinkwassers durch den Stickstoff im Mineraldünger und Pestizide praktisch nicht mehr genießbar und außerhalb der zulässigen Grenzwerte:

"Die Kosten der Wasserreinigung trägt die Allgemeinheit."

Auf dem Weg zu wahren Preisen müsste allerdings noch viel passieren. "Das Wissen über Wirkung und Folgeschäden von Pestiziden ist noch ganz am Anfang", sagte Wiener. Es fehle beispielsweise ein systematisches EU-weites Monitoring, um die Mengen in der Umwelt bewerten zu können. Außerdem müsse man einen ganzheitlichen Blick auf die Wirkungen werfen.

Slow Food: Verbraucher hat bei Kauf Einfluss

Für Lea Leimann, Vorstandfrau bei dem Verein Slow Food Deutschland, der sich unter anderem der Verbreitung von Ernährungswissen und engagierter Bildungsarbeit verschrieben hat, ist mehr Wissen entlang der Herstellungskette wichtig.

"Der Verbraucher hat mit seinem Kauf Einfluss im Laden, um die Ernährungswende mitzugestalten."

Sie wünscht sich aber über die Angabe der reinen Inhaltsstoffe eines Lebensmittels hinaus auch etwa eine Zusatzinfo, ob ein Erdbeerpflücker korrekt sozialversicherungspflichtig angemeldet war.

Eine weitere Orientierung könnte laut Wiener auch der Erzeugungsort von Produkten sein: "Je länger die Lebensmittelketten sind, umso anfälliger sind sie für Betrug." Lokale Erzeugung ohne Transportwege um die halbe Welt sind daher zwar besser. Bei der Entscheidung zwischen lokal oder Bio sollte ihrer Meinung nach dennoch die Entscheidung immer für Bio ausfallen.

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