Es ist ein Armutszeugnis: Deutschlands Grundschüler können immer schlechter lesen. Ihr Können nimmt im internationalen Vergleich seit Jahren ab. Das besagt eine weltweite Lesestudie, kurz Iglu genannt. Sie zeigt, dass ein Viertel der Kinder am Ende der Grundschule nicht das Mindestniveau beim Textverständnis erreicht.

Bei der letzten Erhebung Ende 2017 waren es noch 19 Prozent. Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) bezeichnete die Studie als "alarmierend" und verlangt "eine bildungspolitische Trendwende".

Logisch, Lesen ist der Schlüssel zu schulischem und beruflichem Erfolg. Bücher öffnen Türen in andere Welten, in solche der Fantasie, aber auch des geistigen Denkens. Lesen macht Menschen klüger. Wenn Kinder das Lesen verlernen, steht die Bildung des Nachwuchses auf dem Spiel. Eltern wissen das, Großeltern auch. Sie lesen vor, halten die Kinder zum Lesen an. Und verschenken hoffentlich viele Bücher. Trotzdem scheint das Lesen eine Kulturtechnik zu sein, die bei Kindern immer weniger zündet.

Lesen scheint nicht mehr nötig zu sein

Verwunderlich ist das nicht. Überall starren Menschen auf ihre Smartphones. Podcasts boomen, die sozialen Netzwerke sind voller Bilder, Artikel kann man sich per Klick vorlesen lassen. Selbst Kochrezepte sind keine Texte mehr, sondern Videos zum Nachmachen. Das geschriebene Wort wird von Sprachnachrichten ersetzt. Lesen scheint nicht mehr nötig zu sein.

Dabei wird es auf das schnelle sinnerfassende Lesen mehr denn je ankommen – besonders im digitalen Zeitalter. Keine künstliche Intelligenz kann jemals das eigene Lesen abnehmen, vor allem die Einordnung, Bewertung, das Hinterfragen von Informationen nicht. Denkende Menschen sind die Basis für eine Demokratie.

Lesen ist Üben und Wiederholen, täglich

Die Frage bleibt, ob die Politik den Warnschuss dieses Mal gehört hat. Ja, es braucht mehr Lesezeit an den Grundschulen. Aber wie sollen Lehrkräfte mehr Unterrichtszeit fürs Lesenlernen verwenden, wenn der Personalmangel zum Himmel schreit? Ja, Lesen ist Üben und Wiederholen, täglich, mindestens 20 Minuten. Und vorlesen ist allemal besser als nicht lesen. Texte sollten auch nicht nur Wissensvermittlung sein – Lesen sollte unbedingt Spaß machen. Dazu braucht es Lesestoff, der die Perspektive der Kinder einnimmt.

Das Gegenteil von Langeweile aber ist Geistesgegenwart. Davon bräuchte die Bildungspolitik eine Menge. Deshalb lasst Tauben durch die Klassenzimmer fliegen! Das wäre wirklich geistreich, auf jeden Fall aber zukunftsträchtiger als Millionen für das bayerische Raumfahrtprogramm.

Kommentare

Diskutiere jetzt mit und verfasse einen Kommentar.

Teile Deine Meinung mit anderen Mitgliedern aus der Sonntagsblatt-Community.

Anmelden