Zum 20. Mal ruft die Initiative "!Nie wieder - Erinnerungstag im deutschen Fußball" in deutschen Stadien zum Einsatz für Menschlichkeit und Toleranz auf. Schwerpunktthema sei in diesem Jahr der Kampf gegen den zunehmenden Antisemitismus in Deutschland, erklärte Frank Schleicher, Diakon an der Versöhnungskirche in der KZ-Gedenkstätte Dachau, im epd-Gespräch. Die Aktion finde rund um den Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar statt. Alle Fußballvereine und viele Fanprojekte der 1. und 2. Bundesliga seien daran beteiligt.

Gründung der Initiative 

Die 2004 in der Versöhnungskirche gegründete Initiative "!Nie wieder" habe die Erinnerungsarbeit in die Stadien getragen, erklärte Schleicher.

Habe es früher noch das Klischee der "rechten Kurve" gegeben, zeige heute jeder deutsche Fußballverein "von Flensburg bis München" Haltung gegen Antisemitismus, Rassismus und Diskriminierung: "Da ist ein Stück Selbstverständlichkeit eingekehrt."

Dennoch zeige die Zunahme von antisemitischen Vorfällen in Deutschland seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel, "dass wir anscheinend noch zu wenig getan haben", sagte der Diakon. Es werde viel Aufklärung und Prävention betrieben, doch im Alltag bezögen zu wenige Menschen Position gegen Hetze von Rechts. Deshalb habe sich "!Nie wieder" entschlossen, im 20. Jahr ihres Bestehens den Kampf gegen Antisemitismus zum Schwerpunkt zu machen.

Die Ermordung von über 1200 Israelis am 7. Oktober 2023 durch Hamas-Terroristen sei eine

"Zäsur für Israel und die jüdische Gemeinschaft weltweit" gewesen, heißt es in der geplanten Stadiondurchsage. "Wir dürfen den enthemmten Antisemitismus nicht hinnehmen, bei dem offen die Auslöschung des jüdischen Lebens im Gesamten gefordert wird", so der Text weiter.

Frank Schleicher arbeitet seit vier Jahren als Nachfolger von Gründungs-Diakon Klaus Schultz im zehnköpfigen Koordinierungsteam von "!Nie wieder", in dem unter anderem die Deutsche Sportjugend, die "Koordinierungsstelle Fanprojekte" und Maccabi Deutschland vertreten sind. Von der Breitenwirkung der Initiative ist er beeindruckt. Es habe auch im Fußball immer schon Menschen gegeben, die sich klar gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus positioniert hätten, doch durch die Graswurzel-Initiative von "!Nie wieder", die bis heute ohne professionelle Strukturen auskomme, habe sich diese Bewegung vernetzt und Fahrt aufgenommen. "Die Türen bei den Vereinen und Verbänden sind für das Thema offen."

Verleihung eines Preises 

So verleiht der Deutsche Fußballverband seit 2006 in Erinnerung an den deutsch-jüdischen Nationalspieler Julius Hirsch (1892-1943) den gleichnamigen Preis an Personen oder Initiativen im Fußball, die sich gegen Ausgrenzung, Antisemitismus und Rassismus einsetzen. Seit 2017 fördert die Kurt-Landauer-Stiftung im Andenken an den früheren jüdischen FC-Bayern-Präsidenten soziale Projekte und erinnert mit ihrem stetig wachsenden Gedenkbuch an die von den Nazis verfolgten FC-Bayern-Mitglieder.

Ein Forschungsprojekt der Gedenkstätte Augustaschacht und des VfL Osnabrück mit dem Titel "Orte des Jubels - Orte des Unrechts" untersucht seit einem Jahr, welche Sportplätze während des NS-Regimes als Zwangsarbeiterlager genutzt wurden. "Ich fände es toll, wenn wir es schaffen, auch bayerische Fußballvereine dafür zu interessieren, was auf ihren Sportplätzen passiert ist", gibt Diakon Schleicher als nächstes Ziel der Initiative "!Nie wieder" an. Das Thema Zwangsarbeit solle Schwerpunkt des nächsten Erinnerungstags im Januar 2025 werden. Die Nähe des Themas zum Fußball der Gegenwart ist für Schleicher offensichtlich: "Da muss man nur an den Stadienbau zur WM in Katar denken oder daran, wie die günstigen Trikots und Bälle produziert werden."

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