Claudia Grete ist Expertin in Sachen Karnevalskostüme. Seit 20 Jahren kommen Kinder in Gretes Laden "Findus Kinderkostüme" in Hannover, und kaum fällt die Tür hinter ihnen zu, fangen sie an zu strahlen und stürzen sich in ein märchenhaftes Paradies.

Etliche Verkleidungskisten warten auf sie, gefüllt mit königlichen Kronen und Narrenkappen, selbst gefilzten Zauberhüten, Hexenbesen, Ritterschwertern und zarten Tüllschleiern. Ob Elfe, Einhorn oder Pirat, ob Polizist, Clown oder Cowboy, ob Drache, Vampir oder Marienkäfer: Grete kramt so lange in ihrem schier unendlichen Fundus, bis alle glücklich sind.

Karneval, Fastnacht oder Fasching, egal welche Bezeichnung regional verwendet wird, gemeint ist das Gleiche: närrisches Treiben, sich verkleiden, in andere Rollen schlüpfen, Spaß haben. Das hört sich unkompliziert an, ist es aber nicht immer.

Kulturelle Stereotype und Rassismus

Grete verleiht nicht nur Kostüme, sie arbeitet auch in einer Kita. Sie weiß, dass die Frage "Als was gehst Du?" im Zuge der gesellschaftlichen Debatte um kulturelle Stereotype, um Alltagsrassismus und Gendergerechtigkeit nicht mehr so vermeintlich einfach zu beantworten ist wie früher.

Das bestätigt auch Stefani Boldaz-Hahn in einem auf der Homepage des Bundesfamilienministeriums veröffentlichten Interview. Unter der Überschrift "Nur eine Verkleidung?" antwortet die Erziehungswissenschaftlerin auf die Frage, was schwierig an Kostümen sei, die kulturelle oder ethnische Gruppen porträtieren:

"Das Problem ist, dass dabei oft Minderheiten dargestellt werden, die ohnehin oft schon von Diskriminierung betroffen sind. Durch das Kostüm wird das verstärkt."

Grete begrüßt es, dass sich die Menschen heute mehr Gedanken über Verkleidungen machen und Kostüme, die andere herabwürdigen können, von vielen ablehnt werden. Ob das Chinesenkostüm mit stereotypem, dreieckigem Bambushut oder die Bezeichnung "Indianer" für indigene Menschen, "vieles ist nicht mehr zeitgemäß und überholungsbedürftig", findet sie.

Keine "Indianer" mehr

In Ihrer Kita würde über klischeehafte Faschingskostüme, die die Gefühle von Menschen verletzen könnten, gesprochen.

"Die meisten Eltern können das nachvollziehen, es sind wenige, die das als übergriffig empfinden."

Grete selbst hat gerade ihre "Findus"- Homepage umgestaltet. "Indianer" gibt es bei ihr nicht mehr, die Überschrift lautet jetzt "Federschmuck und Friedenspfeife". Die Prinzen stehen gleichberechtigt neben den Prinzessinnen. "Ich bin über 60 Jahre alt, ich ertappe mich selbst auch immer wieder dabei, in Klischee-Fallen zu tappen", sagt sie selbstkritisch. Zum Glück mache sie ihre Tochter darauf aufmerksam.

Rassistische Verkleidungen auf dem Rückzug

Für den niedersächsischen Landesvorsitzenden des Deutschen Kitaverbandes, Tim Arndt-Sinner, sind ethnische Kostüme, die rassistische Klischees wiedergeben, kein Thema. Solche Verkleidungen gebe es ohnehin kaum noch, sagt er.

"Wir sehen in den letzten Jahren, dass durch den stark zunehmenden Medienkonsum schon bei den Kleinsten neue Kostüme populär sind, beispielsweise "Paw Patrol" oder "PJ Masks Pyjama Helden".

Die Herausforderung für die Kita-Mitarbeiter bestehe eher darin, die TV-Superhelden der Kinder zu kennen.

Thematisiert würde in den Kitas übrigens auch das Thema Waffen. Bringe etwa ein als Ritter verkleidetes Kind ein Plastikschwert mit, so dürfe es das Schwert den anderen Kindern im Morgenkreis zeigen, sagt Arndt-Sinner, "und dann wird es sicher bei den Erziehenden verstaut, bis das Kind nach Hause geht".

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