Vom Nürnberger Markt der Partnerstädte geht in diesem Jahr ein besonderes Zeichen aus. Denn in dem weihnachtlichen Weltdorf mit seinen 22 Buden finden sich auch die beiden Stände der israelischen Partnerstadt Hadera und des palästinensischen Nablus im besetzten Westjordanland.

Bislang sind die Folgen von Hamas-Massaker und Angriffen des israelischen Militärs im Gazastreifen nicht auf den Nürnberger Spezialmarkt übergeschwappt, erzählen die Betreiber.

Koschere Lebkuchen und Wein

"Das Thema ist auch hier präsent", berichtet Vitali Liberov. "Aber hier herrscht Normalität", ergänzt er mit Blick auf den palästinensischen Stand. Liberov betreibt seit dem Jahr 2016 die Hadera-Bude für den Verein zur Förderung der Städtepartnerschaft Nürnberg-Hadera. Gerade hat er von einem Cousin aus Israel eine SMS bekommen. Der schickte die Nachricht aus einem Luftschutzkeller.

In den ersten Tagen des weihnachtlichen Marktes hat er an seinem Stand mit koscheren Lebkuchen und Wein keine Anfeindungen erlebt, stellt Liberov fest. "Wir erfahren hier jede Menge Unterstützung, nicht politisch, sondern menschliche", fasst er seine bisherigen Erfahrungen zusammen. "Das bedeutet mir sehr viel."

Mit Blick auf den traditionellen Kerzenleuchter in dem Hadera-Sortiment erinnert er an das achttägige Lichterfest Chanukka, das am Donnerstagabend (7. Dezember) beginnt. "Das ist ein Fest der Hoffnung", hebt er hervor.

Koran als Schlüsselanhänger, jüdischer Talisman und christliche Ikonografie
Vitali Liberov vom Verein zur Förderung der Städtepartnerschaft Nürnberg-Hadera präsentiert einen Koran als Schlüsselanhänger, einen jüdischen Talisman und christliche Ikonografie – alles aus Jerusalem.

Jüdische, muslimische und christliche Symbole

Auf dem Markt der Partnerstädte in unmittelbarer Nachbarschaft zum Christkindlesmarkt gehe es aus seiner Sicht freundlich und respektvoll zu. Das gelte auch für die Verkäufer der Buden untereinander. "Wir verstehen uns hier wie eine große Familie", betont er. Auch über den Stand aus dem türkischen Antalya gebe es keinen Grund zur Klage. 

Liberov zeigt auf sein Sortiment. Darin finden sich nicht ein jüdischer Glücksbringer mit Segenswunsch, sondern auch ein stilisierter Koran als Schlüsselanhänger oder christliche Bilder. "Das bekommt man alles auch auf dem Markt in Jerusalem", unterstreicht er seinen Wunsch nach Verständigung über vermeintliche Religionsgrenzen hinaus.

Besorgt wegen Siedler-Gewalt

Dieser Ton beherrscht auch Liberovs Gespräch mit Peter Pluschke, dem ehemaligen Nürnberger Umweltreferenten und Vereinschef der Nablus-Initiative. "Es ist ein friedlicher Markt, ich habe bislang keine Anfeindungen erlebt." Pluschke ist eine klare Unterscheidung zwischen den Palästinensern und der Terror-Organisation Hamas ganz wichtig. "Die blutigen Attacken vom Gaza-Streifen aus auf Israel verurteilen wir uneingeschränkt."

Mit dem Verkauf von palästinensischer Keramik, Gewürzen oder Olivenholzschalen unterstützt die Nablus-Initiative die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen aus der Partnerstadt. "Ein Leben zwischen Checkpoints erlaubt der jungen Generation wenig Möglichkeiten zur Entfaltung", sagt Pluschke. Er sei aber auch besorgt über Übergriffe radikaler Siedler im Westjordanland.

Peter Pluschke (2. v.l.) Vereinschef der Nürnberger Nablus Initiative, und sein Vize Wolfgang Mayer (3. v.l.) sowie Wolfgang Stahlmann (ganz l.) und Rudi Weiß (re.)
Sie treten am Stand der palästinensischen Stadt Nablus für Menschlichkeit und Verständigung ein. Peter Pluschke (2. v.l.) Vereinschef der Nürnberger Nablus Initiative, und sein Vize Wolfgang Mayer (3. v.l.) sowie Wolfgang Stahlmann (ganz l.) und Rudi Weiß (re.)

Hoffnung auf Frieden

Nach der Mobilisierung würden Siedler teils in Uniform und bewaffnet anrücken, um Bauern im Westjordanland zu attackieren, sagt Pluschke. "Die Debatte darüber beginnt jetzt auch in Israel selbst", beobachtet er und hofft, dass nach Jahrzehnten des Stillstands ein Dialog für eine künftige Zwei-Staatenlösung beginnt.

Bei der Nürnberger Stadtverwaltung selbst sind in den ersten Tagen des Marktes keine Auffälligkeiten etwa antisemitische Parolen oder Schmierereien registriert worden. Allerdings hat der Sicherheitsdienst auch verstärkt ein Auge auf das Besuchertreiben auf dem Partnerstädtemarkt im Schatten des Nürnberger Rathauses.

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