Bayerische Jugendverbände gehen hart mit Ministerpräsident Markus Söder (CSU) ins Gericht, der am Dienstag ein Gender-Verbot an Schulen und in Behörden angekündigt hatte.

Es sei sehr schädlich, wenn queere Jugendliche sprachlich nicht inkludiert würden, sagten Lukas Hollering und Kora Hackl vom Vorstand des Jugendnetzwerks Lambda Bayern in München bei der Vorstellung der ersten queeren Jugendstudie Bayerns. Gerade an Schulen gebe es viel Diskriminierung. Söders Aussagen zeigten, wie wenig er und die CSU Inklusion mitdenken würden.

Studie: Neun von zehn queeren Jugendlichen erleben Diskriminierung

Das Jugendnetzwerk Lambda Bayern e.V. ist der Dachverband der LSBTIQA-Jugendgruppen in Bayern. LSBTIQA steht für: lesbisch, schwul, bisexuell, transgender/transsexuell, intersexuell, queer und asexuell. Söder hatte am Dienstag in seiner Regierungserklärung vor dem bayerischen Landtag gesagt: "Mit uns wird es kein verpflichtendes Gendern geben, im Gegenteil: Wir werden das Gendern in Schulen und Verwaltung sogar untersagen." Außerdem sagte er: "Haben wir denn keine anderen Probleme in Deutschland, als dass wir uns damit beschäftigen müssen?"

Die erste queere Jugendstudie Bayern hatte der Bayerische Jugendring (BJR) im Forschungsprojekt "How are you?" ("Wie geht's dir?") zusammen mit dem Institut für Diversity- & Antidiskriminierungsforschung (IDA) und der Hochschule Fresenius erstellt. Dazu wurden mehr als 2.000 queere Menschen zwischen 14 und 27 Jahren zu ihrer Lebenssituation befragt.

Laut der Studie erfuhren die Befragten die größte Offenheit mit ihrer LSBTIQA-Identität im Freundeskreis, die geringste am Arbeitsplatz. Zudem seien das Wohlbefinden und die Resilienz von jungen LSBTIQA-Personen deutlich niedriger als bei Gleichaltrigen in der Allgemeinbevölkerung, heißt es weiter. LSBTIQA* steht für: lesbisch, schwul, bisexuell, transgender/transsexuell, intersexuell, queer und asexuell. Das Sternchen steht für weitere, nicht explizit genannte Geschlechtsidentitäten.

Die Antworten machten klar, welche enorme Bedeutung spezifische Angebote der Jugendarbeit für LSBTIQA-Personen hätten, sagte der BJR-Queer-Beauftragte Patrick Wolf. Viele empfänden ihre LSBTIQA-Jugendgruppe als Schutzraum, wo sie sicher vor Diskriminierung seien und gleichaltrige queere Jugendliche träfen. Das helfe ihnen, eine positive Identität zu entwickeln. Von daher müsse nicht nur die Selbstorganisation von queeren Jugendlichen gestärkt werden, sondern es brauche auch eine landesweite Koordinierungs- und Fachstelle für queere Jugendarbeit.

BJR-Präsident: Werden weiter gendern

Auch der Präsident des Bayerischen Jugendrings (BJR), Philipp Seitz, übte Kritik an Söder und seinem angekündigten Gender-Verbot. Die bewusste Verwendung von Sprache sei sehr wichtig, weil durch Sprache die gesellschaftliche Vielfalt zum Ausdruck gebracht werde. "Für uns ist klar: Wir werden weiterhin gendern." Dominic Frohn, Wissenschaftlicher Leiter am Institut für Diversity- & Antidiskriminierungsforschung, sagte, dass er die Diskussion ums Gendern nicht verstehe. Denn durchs Gendern werde niemandem etwas weggenommen.

Mehr Sensibilität für queere Themen

Dominic Frohn, Wissenschaftlicher Leiter am Institut für Diversity- & Antidiskriminierungsforschung, sagte, dass sich queere Jugendliche mehr Sensibilisierung zu queeren Themen wünschten, etwa in Schule, Arbeit und Behörden. Mit der Studie stehe erstmals eine belastbare Datenbasis zur Verfügung, um die Lebenssituationen und Bedarfe queerer junger Menschen in Bayern genauer zu durchleuchten und konkrete Handlungsempfehlungen für Politik und Jugendarbeit zu entwickeln, sagte BJR-Präsident Philipp Seitz laut Mitteilung. Die vollständige Studie erscheint Anfang 2024.

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