Eine "Elegie auf das Ende des Ewigen Eises" hat der evangelische Kirchenmusikdirektor Wilko Ossoba-Lochner komponiert. Das Stück wurde am Dienstag (25. Juli) anlässlich des Requiems für den Zugspitzgletscher uraufgeführt - wegen des regnerischen Wetters nicht direkt am Gletscher, sondern überdacht im Freien.

Die Elegie sei eine "überzeitliche Trauermusik für die Berge und auf die Vergänglichkeit", sagte Ossoba-Lochner im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Als tragendes Instrument diene eine Bombo, eine argentinische Trommel, die kilometerweit zu hören sei. Zusammen mit den drei Profisängerinnen gebe das den nötigen "Klang in der Ödnis".

"Gletscher gehören zur Zugspitze"

Für die Texte habe er sich bei der Ilias von Homer, beim Propheten Micha und bei Psalm 81 bedient. Ein Vers aus Gryphius' Sonett "An Eugenien" thematisiere die Vergänglichkeit des Lebens. "Die Berge erscheinen uns oft wie ein Sinnbild der Ewigkeit - sie sind es aber nicht", sagte der Komponist. Dem ernsten Thema entsprechend gebe es im Stück Dissonanzen, aber auch viele Stellen, an denen die Stimmen sehr schön harmonierten. "Die Elegie ist nicht eingängig, aber sie stößt auch niemanden vor den Kopf", fasst Ossoba-Lochner zusammen.

Den Kirchenmusikdirektor, der auch Wanderleiter beim Alpenverein ist, berührt der Anlass des Requiems persönlich. "Die Gletscher gehören zur Zugspitze, es ist schade, dass sie weg sind", sagt er. Mit seiner Musik wolle er die Rolle zeigen, die der Mensch dabei spiele. Das könne auch eine positive Rolle sein, wenn sich die Menschheit entschließe, das Fortschreiten des Klimawandels aufzuhalten. Die Aussegnung des nördlichen Schneeferners verstehe er als "Zeichen, tätig zu werden".

Wie denkt ein Wissenschaftler über das Requiem?

Herr Rehm, was halten Sie von der Idee eines Requiems für den sterbenden Gletscher?

Till Rehm: Jede Gelegenheit ist gut, um den Menschen das Thema Klimawandel näherzubringen und zu zeigen: Da verändert sich definitiv was! Vielleicht erreicht man manche eher, wenn man ihnen die Folgen der Erderwärmung bei so einem Termin plastisch vor Augen führt. Und vielleicht werden konservative Leute vom kirchlichen Aspekt eher gepackt, als wenn es ihnen so ein grüner Birkenstockträger sagt, den sie eh nicht leiden können.

Seit Jahren wird darüber berichtet, dass die Gletscher in Folge der Erderwärmung abschmelzen. Sind Sie als Wissenschaftler noch hoffnungsvoll, dass die Welt den Klimawandel in den Griff bekommt, oder haben Sie resigniert?

Ich ganz persönlich bin vollständig resigniert. Der Klimawandel war vor der Corona-Pandemie für eine gewisse Zeit ein wichtiges Thema, da hatte ich den Eindruck, es könnte etwas passieren. Aber dann kam Corona, und jetzt ist Krieg.

Die Leute verdrängen einfach, war für ein riesiges Problem da auf uns zukommt - ich weiß nicht, wie sie das schaffen. Ich jedenfalls sehe an den Daten: Es passiert gar nichts.

 

Ein Mann Ende vierzig blickt frontal in die Kamera. Im Hintergrund erkennt man einen eisbedeckten Berg und eine Forschungsstation.
Der Geophysiker Till Rehm arbeitet in der Forschungsstation Schneefernerhaus auf der Zugspitze.
eine Menschentraube steht vor einem kleinen Gletscher. Zu dessen Fuß sieht man sehr viel Gestein.
Blick auf die Gletschermoräne des nördlichen Schneeferner
Pfarrerin Ulrike Wilhelm und Pastoralreferent Florian Hammerl; sie trägt einen Talar, er ein weißes langes weißes Gewand.
v.l.:Pfarrerin Ulrike Wilhelm und Pastoralreferent Florian Hammerl an der Gletschermoräne des nördlichen Schneeferners
Till Rehm und Laura Schmid von der Forschungsstation Schneefernerhaus erklären die Auswirkungen des Klimawandels auf den Zugspitzgletscher.
Till Rehm und Laura Schmid von der Forschungsstation Schneefernerhaus erklären die Auswirkungen des Klimawandels auf den Zugspitzgletscher.

Welche konkreten Folgen hat der Klimawandel für die Zugspitze und ihre Täler?

Dass der Gletscher hier oben verschwindet, ist im weitesten Sinne egal. Vielleicht haben die Touristikbranche und das Skigebiet damit ein Problem, weil sie das Prädikat "Gletscher" verlieren. Aber für den Wasserhaushalt im Tal und die Stabilität des Bergs ist das einerlei, denn dafür ist der Gletscher schon lange viel zu klein. Die wirklichen Dramen beim Thema Gletscherschmelze spielen sich anderswo auf der Welt ab, in Südamerika, im Himalaya. Dort wird Landwirtschaft mangels Wasser unmöglich, dort werden die Leute verdursten, weil kein Wasser mehr aus den Bergen kommt.

Was hier bei uns auf der Zugspitze passiert, sind nur kleine Indizien für die Katastrophen, die anderswo auf die Menschen zukommen.

Gletscherschmelze in den Alpen

Die Zugspitze ist mit 2962 Metern der höchste Gipfel Deutschlands. Hier befinden sich mit Höllentalferner und nördlichem Schneeferner zwei der insgesamt noch vier deutschen Gletscher. Die anderen beiden liegen in den Berchtesgadener Alpen: das Blaueis und der Watzmanngletscher.

Alle Gletscher der Alpen sind stark von der Klimaerwärmung betroffen. So ist in der Schweiz laut Weltorganisation für Meteorologie zwischen 2001 und 2022 ein Drittel des Gletschervolumens verschwunden. Schneearme Winter sorgen dafür, dass die Gletscher nicht mehr wachsen; zu warme Sommer führen dazu, dass sie der Sonneneinstrahlung immer früher ohne schützende Schneeschicht ausgesetzt sind. Folgen der Gletscherschmelze sind Murenabgänge, Steinschläge und ausgetrocknete Alpenflüsse.

Der südliche Schneeferner auf dem Zugspitzplatt hat im September 2022 seinen Status als „Gletscher“ verloren. Damals teilte die Bayerische Akademie der Wissenschaften mit, dass die Eisdicke im Schnitt nur noch zwei Meter betrage und die Gletscherfläche auf weniger als einen Hektar geschrumpft sei - das entspricht etwa 1,5 Fußballfeldern. Weil auch die für Gletscher typische Eisbewegung fehlt, wurden die Vermessungsarbeiten eingestellt. Für den nördlichen Schneeferner wird demnächst eine ähnliche Entscheidung erwartet. 

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