Die Tür des alten Ferienhäuschens im Würzburger Steinbachtal steht weit offen, davor parkt ein Transporter. Drinnen nimmt Liane Batea einen Kuchenteller aus dem Küchenschrank. Behutsam wickelt sie ihn in Zeitungspapier und legt ihn in einen Umzugskarton vor ihren Füßen.

"Unsere Haushaltsauflösungen sind wie ein Umzug. Wir packen das Leben der Menschen in Kartons und schmeißen es nicht einfach weg."

Im Juni vergangenen Jahres hat die 46-Jährige zusammen mit ihrer Freundin und Kollegin Claudia Hahn das Unternehmen "WertVoll - Haushaltsauflösungen mit Herz" in Würzburg gegründet. "Ich bin der Meinung, dass man sehr wertschätzend, menschlich und nachhaltig auflösen kann", sagt Batea. Die ausgeräumten Gegenstände spenden sie an Menschen in Anina, einer Kleinstadt im Banater Bergland in Rumänien. "Es erfüllt mich, Dinge zu retten, die andere Menschen noch brauchen können", sagt Batea.

Schockiert von Verhältnissen, in denen Menschen leben

Alle acht Wochen packen die Freundinnen mehrere Laster voll und fahren in die Bergbauregion. Dort ist Batea geboren und aufgewachsen, ehe sie mit 13 Jahren mit ihren Eltern nach Deutschland kam. Als sie 2006 nach langer Zeit mal wieder nach Anina fuhr, war sie schockiert von Verhältnissen, in denen viele Menschen lebten: "Meine Erinnerungen passten gar nicht zu dem, was ich vor Ort gesehen habe." Kurze Zeit später gründete sie den Verein "Viitor" - das rumänische Wort für Zukunft. Er unterstützt nach eigenen Angaben beispielsweise alte und kranke Menschen, die nur sehr wenig Geld zur Verfügung haben, mit warmen Mahlzeiten und Medikamenten.

Claudia Hahn stieß 2017 zum Verein dazu.

"Wir hatten immer wieder Anfragen, dass wir in Wohnungen, die bald aufgelöst werden sollten, nach Gegenständen für Anina suchen sollten, bevor sie weggeworfen werden",

erinnert sie sich. Mit "WertVoll" übernehmen sie seit vergangenem Jahr selbst Haushaltsauflösungen und können noch mehr Gegenstände retten und spenden.

Die Auftraggeber von "WertVoll" sind oftmals die inzwischen erwachsenen Kinder von Verstorbenen oder Menschen, die sich nicht mehr um ihre Wohnung kümmern können. Zwischen drei und fünf Wohnungen und Häuser räumen Batea und Hahn im Monat aus. "Viele unserer Auftraggeber fühlen sich überlastet. Sie fangen zunächst selbst an, auszuräumen und verlieren sich dann häufig in Erinnerungen", berichtet Batea.

So ging es auch Christian Kelle aus Rimpar bei Würzburg. Im Februar räumte "WertVoll" die Wohnung seiner Mutter aus, die in ein Pflegeheim umzog. "Ich bin beruflich sehr eingespannt. Ich hatte alleine weder die Zeit noch die Muße oder die Kraft", sagt der 60-Jährige, der einst in der Wohnung aufgewachsen ist. Doch einfach einen Entrümpler zu beauftragen, der die Wohnung besenrein macht, das wollten die Kelles nicht.

Region strukturschwach, Armut groß

Häufig entdecken die Freundinnen alte oder längst vergessen geglaubte Gegenstände - auch in dem Würzburger Ferienhäuschen. "Schau, was ich gefunden habe", sagt Batea und hebt einen Milchdosenstecher in die Höhe,

"ich habe manchmal das Gefühl, ich bin in einer Zeitkapsel."

Schon bei der ersten Wohnungsbesichtigung legen Hahn und Batea fest, was sie mit nach Rumänien nehmen und wo es dort landen könnte. Gegenstände und Kleidung, die in Anina nicht direkt an Bedürftige gespendet werden, verkaufen Batea und Hahn auf einem eigens organisierten Flohmarkt vor Ort: "Da kommen teilweise Leute, die 300 Kilometer von Anina entfernt wohnen." Die Region sei strukturschwach, die Armut groß.

Batea und Hahn würden sich zwar wünschen, dass auch andere Haushaltsauflöser in Deutschland nicht einfach den Großteil der aussortierten Gegenstände wegwerfen, sondern weiter verwenden. Das funktioniere aber nur bedingt, wissen die beiden. "Wir haben zum Glück die Vereins-Struktur im Hintergrund. Für andere Haushaltsauflöser ohne diese Struktur ist es schwierig, die Dinge loszuwerden, die hier keiner mehr will."

Manchmal schicken Liane Batea und Claudia Hahn ihren Auftraggebern in Deutschland Fotos von deren ehemaligen Möbeln und Gegenständen - aus den Wohnzimmern in Anina. Auch Christian Kelle weiß diese direkte Verbindung zu schätzen: "Meiner Mutter und mir ist der Abschied von den Dingen, die uns lange begleitet haben, leichter gefallen, weil wir wissen, dass sie auch noch weiterhin benutzt werden."

Aus dem Ferienhäuschen im Würzburger Steinbachtal tragen Batea und Hahn ein gelbes Sofa vor die Tür zum Transporter. Batea lächelt: "Ich weiß, dass es in Anina Menschen gibt, die sich sehr über dieses Sofa freuen werden."

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