"Mir reicht's" oder "Genug ist genug": An plakativen Phrasen mangelt es auf der Startseite der Internetseite "Beitragsblocker.de" nicht. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk sei ein "Propaganda-Apparat", der angeblich sogar Kriege anzettelt, heißt es dort.
Die Betreiber der Seite rufen zum "Mitmachen" auf - und bieten für Protestwillige ein kostenpflichtiges Paket an juristischen Schriftsätzen an, um sich gegen den verpflichtenden Rundfunkbeitrag zu wehren. Die Idee scheint Abnehmer zu finden, das Ergebnis: Eine Widerspruchs- und Klagewelle, die derzeit über Sendeanstalten und Gerichte hinwegrollt.
Klagewelle gegen den Rundfunkbeitrag nimmt Fahrt auf
Allein vor dem Verwaltungsgericht Würzburg wurden am 25. September zwölf Verfahren wegen des Rundfunkbeitrags verhandelt - elf davon gebündelt in zwei mündlichen Sitzungen. Das fällt auf, denn vor Verwaltungsgerichten werden nur inhaltlich identische Verfahren so verknüpft.
Nach Informationen des Evangelischen Pressedienstes (epd) liegt das im Würzburger Fall daran, dass den elf Klagen jeweils ein wortgleicher, 230 Seiten starker Schriftsatz zugrunde liegt, der auf der Internetseite "Beitragsblocker.de" gekauft worden sein soll.
Der Bayerische Rundfunk (BR) als Beklagter registriert eine steigende Zahl an Widersprüchen und Klagen gegen den Rundfunkbeitrag. Seit Juni 2024 habe es rund 1.450 Klagen mit "Beitragsblocker.de"-Schriftsatz gegeben, sagte eine BR-Sprecherin auf epd-Anfrage:
"Das ist ein Mehrfaches des sonstigen Klageaufkommens."
Doch die Juristen des BR sowie anderer ARD-Anstalten seien sich einig: Festsetzung und Vollstreckung des Rundfunkbeitrags sind rechtmäßig. Alle Klagen mit dem 55,08 Euro teuren "Beitragsblocker.de"-Schreiben waren bisher erfolglos.
Standardklagen gegen Rundfunkbeitrag bisher ohne Erfolg vor Gericht
Das bestätigt für das Würzburger Verwaltungsgericht auch dessen Sprecher. Bislang sei kein einziges der Verfahren, das auf den vorformulierten Schreiben basiert, im Sinne der Klägerinnen und Kläger entschieden worden - auch an den anderen Verwaltungsgerichten. Die Argumentation, obwohl laut Internetseite von "Top-Juristen" und "spezialisierten Rechtsanwälten" verfasst, scheint die Gerichte nicht zu überzeugen.
"Nach unserer Kenntnis hat sich bislang niemand in die zweite Instanz gewagt", sagte der Gerichtssprecher. Ein weiteres juristisches Vorgehen vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof werde nämlich teuer, falls man dort nicht gewinnt. Dieses Risiko wollen die Klägerinnen und Kläger offenbar nicht eingehen.
Dabei erweckt das Internetportal den Eindruck, dass die Erfolgsaussichten schon allein mit einem Widerspruch gegen die Rundfunkgebühr gut sind. Die Seitenbetreiber sprechen von drei "Wellen", die der Käufer der Standardklage starte:
"Mit bis zu drei aufeinanderfolgenden Schriftsatz-Wellen wehrst Du Dich gegen die rechtswidrige Festsetzung bzw. Durchsetzung des Rundfunkbeitrags." Weiter heißt es: "Ohne Anwaltszwang und perfekt vorbereitet mit einer Klage und ausreichend Belegen kannst Du für nur 114 Euro Gerichtskosten (...) sehr schnell und effektiv vorgehen. Diesen Schritt gehen tausende Menschen gleichzeitig."
Klagewellen von Beitragsblocker.de: Versprechen und Realität
Juristen, die sich mit dem Thema Rundfunkbeitrag bestens auskennen - aber aus Angst vor technischen Attacken oder Shitstorms nicht namentlich genannt werden wollen - sprechen den "Beitragsblocker.de"-Betreibern jede Seriosität ab. Es gehe gar nicht darum, den "Kunden" solide Rechtsberatung zu verkaufen. Darauf deute auch der Unternehmenssitz in den Niederlanden hin.
Stattdessen sei die Offerte "zum einen Abzocke" und zum anderen der Versuch, "Behörden und Institutionen mit einer Antrags- und Klageflut auszubremsen oder aus deren Sicht bestenfalls lahmzulegen".
Hinter "Beitragsblocker.de" steckt ausweislich des Impressums Markus Bönig - ein Unternehmer, der vor allem in der Corona-Pandemie rechtliche Graubereiche ausgetestet hat. Über eine Internetseite bot er nach Ausfüllen eines kleinen Fragebogens "Impfunfähigkeitsbescheinigungen" an, obwohl ihm das gerichtlich teils untersagt wurde.
Auch wer keine Masken tragen wollte, konnte einen "Schwerhörigenausweis" auf einer Seite von Bönig bestellen. "Im besten Fall kann man sagen: Bönig ist kreativ", sagte ein Jurist dem epd: "Mir fallen dafür aber eher andere Adjektive ein."
Markus Bönig und die Grenzen kreativer Geschäftsmodelle
Bönig hat auf epd-Anfrage mitgeteilt, bei den Widersprüchen und Klagen handle es sich "um ganz normale und legitime Vorgänge von normalen Bürgern". In den vergangenen zwei Jahren seien "knapp 35.000" Menschen mithilfe des Portals gegen ihre Beitragsbescheide vorgegangen - allerdings, räumt Bönig ein, war bislang kein Widerspruch und keine Klage erfolgreich.
Die meisten Verfahren ruhten derzeit, weil die Verwaltungsgerichte "auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts am 1. Oktober" warten, erläuterte Bönig.
Gegen Pauschalkritik an dem Angebot von "Beitragsblocker.de" wehrt sich Bönig mit deutlichen Worten: "Das ist üble Nachrede." Wenn ein paar Tausend Verwaltungsgerichtsverfahren die Gerichte bereits in die Knie zwängen, "haben wir ein institutionelles Versagen", sagte er.