Petra Mannert und Ulrike Kammeter-Schießl stehen vor einer Klasse der Herrenbach Grundschule in Augsburg. Zwischen ihnen liegt eine Zitrone - das Objekt des Streits, den sie schauspielerisch vorstellen. Beide Frauen wollen die Zitrone haben und bringen gute Gründe dafür vor.

"Ich brauche den Zitronensaft für meine kranke Mama", sagt die eine. "Aber ich brauche die Zitronenschale für einen Kuchen, weil meine Oma Geburtstag hat", argumentiert die andere. Keine von beiden will auf die Zitrone verzichten.

Lösungen, die für alle Beteiligten funktionieren

In dieser Patt-Situation wird der Streit gestoppt und die Kinder dürfen Ideen für eine Lösung sammeln, die für beide Beteiligten funktioniert. Viele kleine Hände schnellen nach oben. Man könne noch eine zweite Zitrone kaufen oder die Zitrone durchschneiden, schlagen einige Kinder vor. Ein anderes sagt:

"Aber du brauchst doch nur die Schale und du brauchst nur den Saft. Da könnt ihr teilen."

Alle Ideen werden aufgeschrieben und am Ende entscheiden die Kinder über die beste Lösung.

Mit diesem Rollenspiel stellen sich Mannert und Kammeter-Schießl immer vor, wenn sie als Mediatorinnen neu zu einer Grundschulklasse kommen. Die beiden engagieren sich ehrenamtlich in der Organisation "Seniorpartner in School" (SiS), die bundesweit aktiv ist und die schulinternen Angebote ergänzen will.

Senior*innen helfen, wenn Grundschulkinder streiten

In Zweierteams besuchen Senior*innen einmal pro Woche eine Partnerschule und bieten ihre Hilfe an, wenn Grundschulkinder streiten. Dafür erhalten sie vom Verein eine 80-stündige Mediatorenausbildung. Diese kostet die Ehrenamtlichen nichts, dafür wird von ihnen erwartet, dass sie sich 18 Monate lang einmal pro Woche engagieren.

In Bayern gibt es SiS in Augsburg, München und Deggendorf. Zum neuen Schuljahr soll die Metropolregion Nürnberg dazukommen. Bis zu 16 interessierte Senioren können in der ersten Ausbildungsrunde Schulmediatoren werden. "Das Interesse der Schulen an uns ist bereits groß", sagt Reiner Helm, der den Standort Nürnberg zusammen mit Gerd Travnicek aufbaut. Über das Freiwilligenzentrum der Stadt hat er von dem Angebot erfahren.

Miteinander umgehen, ohne sich die Köpfe einzuschlagen

"Wir wollen den jungen Leuten von Anfang an beibringen, wie man miteinander umgeht, ohne sich die Köpfe einzuschlagen", fasst Helm zusammen. In den vertraulichen Gesprächen mit den Kindern verzichten die Mediatoren auf Schuldzuweisungen und vermeintlich gute Ratschläge. Sie versuchen, das Verständnis für die Gefühle und Bedürfnisse des Gegenübers zu stärken und die Kinder zum Finden eigener Lösungen zu animieren.

Auch an den bereits bestehenden Standorten gibt es regelmäßig neue Ausbildungsrunden, immer mehr Schulen nehmen die Unterstützung des Vereins in Anspruch. Mit Corona kam eine Ergänzung im Angebot von SiS dazu. "Mittlerweile bieten wir auch Einzelgespräche an, denn viele Kinder wollen darüber sprechen, was sie bewegt", sagt Mannert. "Das ist jetzt auch Teil unserer Fortbildungen."

"Wir helfen euch bei jedem Streit"

Am Ende des Rollenspiels lassen Petra Mannert und ihre Kollegin kleine Visitenkaren für jedes Kind da. Auf einer Seite steht auf einem roten Hintergrund: "Wir helfen euch bei jedem Streit", daneben das Bild einer traurigen Zitrone. Auf der anderen Seite steht auf grünem Hintergrund: "Damit ihr nicht mehr sauer seid" und die Zitrone lacht und springt.

"Damit erinnern sich die Kinder daran, dass es uns gibt. An unserer Schule hängen die Lehrkräfte die Visitenkarte auch immer an der Tafel auf, wenn wir da sind", sagt Mannert. Letztendlich entscheiden die Kinder selbst, ob und wann sie die Hilfe der "Zitronenfrauen" in Anspruch nehmen.