Die Mutter von Ayse Bati lag nach einer schweren Operation im Krankenhaus. Dringend hätte sie den Besuch eines Seelsorgers gebraucht, der ihre Sprache konnte. Als die evangelische Pfarrerin der Tochter anbot, sie könnte ja ein solches Gespräch übersetzen, war für Bati klar: "Gefühle kann ich nicht übersetzen". Inzwischen hat Ayse Bati selbst eine Seelsorge-Ausbildung und sie koordiniert die mehrsprachige islamische Seelsorge am Universitätsklinikum Augsburg.

Muslimische Seelsorge des Instituts für transkulturelle Verständigung

Ausgebildete ehrenamtliche muslimische Seelsorgerinnen sind in Augsburg bereits seit einigen Jahren Alltag. Dort ist auch das Institut für transkulturelle Verständigung (itv) entstanden, ein von der Stadt finanziertes bayernweit einzigartiges Modell. Es hat sich zur Aufgabe gemacht, dauerhaft eine muslimische Seelsorge aufzubauen, sagt Gründerin Nurdan Kaya. Die Psychotherapeutin hat das Konzept für die muslimische Seelsorge in Augsburg (musa) entworfen und leitet das itv.

Auch für Patientinnen und Patienten aus dem muslimischen Kulturkreis in Nürnberg soll es Seelsorger geben. Das Klinikum hat mit dem itv einen Kooperationsvertrag geschlossen. In einem zwölf Monate dauernden Kurs können sich Interessierte zu ehrenamtlichen muslimischen Seelsorgerinnen und Seelsorgern ausbilden lassen. Vorstand Peter Schuh verweist auf die vielen Patientinnen und Patienten mit muslimischem Hintergrund in seinen Häusern. Das derzeitige kirchliche Seelsorge-Team unterstützt die Pläne. Sie sei sehr glücklich über den Schritt, sagt die evangelische Klinikseelsorgerin Ulrike Otto. "Um eine religiöse und spirituelle Ressource für alle Patientinnen und Patienten zu schaffen", würden in Zukunft die verschiedenen Konfessionen und Religionen zusammenarbeiten.

Die 41 katholischen und evangelischen Klinikseelsorgerinnen und -seelsorger in den Standorten des Nürnberger Klinikums gingen bisher schon auf alle Patienten zu, gleich welcher Religion oder Konfession, berichtet Otto. Wenn nun auch muslimische Seelsorger im Einsatz seien, würden sie es ebenso machen. Bei Bedarf könnten sie aber auch auf die individuellen Bedürfnisse von Menschen aus dem muslimischen Kulturkreis eingehen.

Erfahrungsbericht einer ehrenamtlichen Seelsorgerin

Ayse Koc, Studentin der Sozialen Arbeit aus Nürnberg, hat das Zertifikat des itv bereits in der Tasche. Sie hat 48 Praktikumsstunden am Klinikum abgelegt. In dieser Zeit in der Kardiologie hat auch sie alle Patientinnen und Patienten angesprochen, nicht nur Menschen muslimischen Glaubens. "Anfangs war die Irritation wegen meines Kopftuchs oft groß", erzählt sie. Mancher der älteren Kranken habe sie sogar für eine Klosterschwester gehalten. Alle hätten sich gefreut, dass sie Aufmerksamkeit bekommen hätten, hat Koc erfahren. Doch schneller in Kontakt gekommen sei sie mit muslimischen türkisch-stämmigen Menschen. "Das klappt in Sekunden, obwohl mein Türkisch nicht so gut ist, denn die Patienten wissen, dass ich ihren Glauben verstehe".

Institutsleiterin Nurdan Kaya freut sich sehr über die Zusammenarbeit mit dem Nürnberger Klinikum. Das sei ein wichtiger Standort, sagt sie. Denn Seelsorge sei auch Integrationsarbeit. Die Gruppe von Muslimen sei mindestens so vielfältig wie die Mitglieder der christlichen Kirchen, was Konfession, Glauben, Religionspraxis oder Herkunftsland angehe. "Eine solch heterogene Ausgangslage verlangt auch bei der Seelsorge einen differenzierten Blick", stellte sie bei der Unterzeichnung des Kooperationsvertrags fest.

Ausbildung zur Seelsorger*in beim Institut für transkulturelle Verständigung

Über 150 ehrenamtliche Seelsorgerinnen und Seelsorger hat ihr Augsburger Institut seit 2012 ausgebildet. In knapp 150 Theoriestunden absolvieren die Teilnehmer Kurse zu allgemeiner Seelsorge, Interreligiösität, Psychologie oder Gesprächsführung. Außerdem verbringen sie 48 Stunden als Hospitanten in Krankenhäusern oder Senioreneinrichtungen. Erst danach können sie ihre Arbeit beginnen. Nicht alle sind in Krankenhäusern aktiv, manche besuchen Menschen in den Justizvollzugsanstalten oder gehen in Flüchtlingsunterkünfte und erleben dort viel Dankbarkeit, "dass endlich mal einer für sie da ist", erzählt Ayse Bati. "Sie bedanken sich 100 Mal, dass wir uns die Zeit genommen haben".

Auch die 27-jährige Ayse Koc in Nürnberg ist bereit: "Wenn man mich braucht, kann ich anfangen", sagt sie.