Pfarrerin Ulrike Otto, Sprecherin des Arbeitskreises Klinische Seelsorgeausbildung (KSA), und Religionspädagoge Andreas Herrmann haben in der bayerischen Landeskirche einen Auftrag für Seelsorgeausbildung.

Frau Otto, Sie sind für die "KSA" zuständig, Herr Herrmann, Sie sind im Bereich "KSPG" tätig. Was verbirgt sich hinter all diesen Abkürzungen?

Andreas Herrmann: KSPG gibt es nur in Bayern, es steht für "Kurse für seelsorgliche Praxis und Gemeindearbeit". Diese Kurse werden in jedem der sechs Kirchenkreise angeboten. Wir nennen sie auch Intensivkurse in Seelsorge, da die Teilnehmenden bereits Seelsorgeerfahrungen haben, von der Gemeindeseelsorge bis zur Gefängnisseelsorge. Die Kurse finden an den Diakonischen Beratungsstellen statt und werden von Menschen mit psychologisch-therapeutischem Hintergrund angeboten.

Ulrike Otto: KSA steht für pastoralpsychologische Weiterbildung in Kommunikation und Seelsorge. Das Abkürzungs-Kauderwelsch macht bereits deutlich, worum es in der Seelsorgeausbildung geht. Auch wenn wir die gleiche Sprache sprechen, verstehen wir uns nicht immer sofort. Zu lernen, sich besser zu verstehen, genau darum geht es uns in der Seelsorgeausbildung. Seelsorge wird nicht theoretisch aus Büchern gelernt, sondern indem man ganz praktisch Seelsorgeerfahrungen macht. Die Kurse finden meist in Krankenhäusern statt, Seelsorgebesuche auf den Stationen gehören dazu. So kann man in kurzer Zeit sehr viel Seelsorgeerfahrung sammeln, die dann in der Gruppe eingehend reflektiert wird.

Wenn Seelsorge Muttersprache der Kirche ist, warum braucht man dann dafür eine Ausbildung?

Herrmann: Auch die Muttersprache muss man lernen. Dieses Erlernen geschieht in Beziehung mit anderen, im Ausprobieren und in der anschließenden Reflexion. Lernen ist wesentlich ein Kommunikationsprozess. Seelsorgende benötigen die Fähigkeit, Situationen, Kontexte und die anderen Menschen in den Blick zu bekommen und dabei sich selbst nicht zu verlieren. Da gibt es viel zu üben! Eine heterogene Gruppe aus unterschiedlichen Handlungsfeldern, Berufs- und Altersgruppen ist da sehr hilfreich für einen spannenden und fruchtbaren Austausch.

Otto: Oft sprechen Menschen in der Seelsorge von Schuldgefühlen. Spontan will man da beruhigen: "Da müssen Sie sich doch nicht schuldig fühlen! Gott liebt uns, wie wir sind, und vergibt uns." Dieser schnelle Trost verhindert, dass Menschen mehr von ihrer Belastung erzählen. Aber erst, wenn sie das dürfen, spüren sie, dass sie mit ihrer Schuld und ihren Schuldgefühlen gesehen und ausgehalten werden. Vielleicht ist es dann leichter, auch auf die Vergebung Gottes zu vertrauen. So zu reagieren muss man als Seelsorger erst lernen. Hier hat die Kirche eine Verantwortung. Seelsorge im kirchlichen Auftrag muss auch Hand und Fuß haben. Und das geht ohne Ausbildung nicht.

Pfarrerin Ulrike Otto
Pfarrerin Ulrike Otto, Sprecherin des Arbeitskreises Klinische Seelsorgeausbildung (KSA)

Wenn man also Seelsorge lernen will, dann meldet man sich einfach zu so einem Kurs an?

Otto: Unsere Seelsorgekurse werden meist von Hauptamtlichen besucht. Immer wieder sind aber auch Menschen aus ganz anderen beruflichen Hintergründen oder erfahrene, ehrenamtliche Seelsorger dabei. Wichtig ist, dass die Teilnehmer bereit sind, die eigene Person mit ihren Gefühlen, ihrer Biografie und auch mit ihren Brüchen in den Kurs miteinzubringen. Denn das wichtigste Instrument, das wir in der Seelsorge haben, sind wir selbst. Wenn wir mit uns selbst gut in Kontakt sind, dann können wir auch gut mit anderen in Kontakt sein.

Herrmann: Einfach anmelden geht in KSPG-Kursen nicht. Man muss sich meist bewerben. Bei der Zusammenstellung der Ausbildungsgruppe legen wir besonderen Wert auf die gerade angesprochene Unterschiedlichkeit. Aus dem Motivationsschreiben und dem Lebenslauf lässt sich erkennen, welche Zielsetzung jemand mit diesem Kurs verfolgt. Wenn jemand Seelsorge für sich selbst braucht, ist es schwieriger, als wenn jemand etwas für seine Seelsorgearbeit benötigt. Eine Bereitschaft und die Fähigkeit an sich zu lernen, sich einzubringen und mit sich selbst auseinanderzusetzen ist dabei sehr wichtig. Seelsorgelernen geht nur als Arbeit an und Auseinandersetzung mit der eigenen Person.

Wie läuft so ein Kurs?

Otto: KSA-Kurse sind Sechswochenkurse, aufgeteilt in Kursblöcke. Neben der Fallarbeit geht es viel um die eigene Person – um die Biografie, die eigene Spiritualität und Theologie. Ein Herzstück der Kurse ist die Selbsterfahrung im freien Gruppengespräch. Das ist der ungewöhnlichste Teil des Kurses, in dem aber die größten Aha-Erlebnisse passieren. Gefühle – gerade auch die negativen – wollen wir lieber verstecken, sogar vor uns selbst. Aber in der Seelsorge brauchen wir sie unbedingt. Erst durch sie spüren und verstehen wir andere.

Herrmann: Vieles deckt sich inhaltlich mit unseren KSPG-Kursen. Lediglich vom äußeren Rahmen gibt es größere Unterschiede an den Standorten. Die Unterschiede bestehen in der Schwerpunktsetzung bestimmter Themen.

Religionspädagoge Andreas Herrmann
Religionspädagoge Andreas Herrmann

Kontakt

Arbeitskreis KSA in der ELKB
Pfarrerin Ulrike Otto
Klinikum-Nürnberg, Standort Nord
Tel.: (09 11) 3 98 20 86
E-Mail: ulrike.otto@klinikum-nuernberg.de
www.ksa-bayern.de

KSPG-Ansprechpartner finden Sie in jedem Kirchenkreis. Nähere Informationen unter: seelsorge-fortbildung-kspg.de

Mehr Informationen: handlungsfelder.bayern-evangelisch.de/handlungsfeld4.php

Serie "Mitten im Leben – Seelsorge und Beratung"

Seelsorge

In der neuen Serie "Mitten im Leben – Seelsorge und Beratung" stellen wir je einen Bereich der Seelsorge der Evangelischen Kirche in Bayern vor.

Folge 1: Landwirtschaftliche Familienberatung der Landeskirche

Folge 2: Telefonseelsorge

Folge 3: Gehörlosenseelsorge

Folge 4: Schulseelsorge

Folge 5: City-Seelsorgestellen

Folge 6: Seelsorge in Alten- und Pflegeheimen

Folge 7: Gemeindeseelsorge

Folge 8: Klinikseelsorge

Folge 9: Polizeiseelsorge

Folge 10: Notfallseelsorge

Folge 11: Seelsorgeausbildung

Folge 12: Studierendenseelsorge

Folge 13: Gefängnisseelsorge

Folge 14: Ehe-, Familien- und Lebensberatung der Diakonie

Folge 15: Militärseelsorge

Folge 16: Schwerhörigenseelsorge

Folge 17: Flughafenseelsorge

Folge 18: Blinden- und Sehbehindertenseelsorge