"'Die Pfarrerin!' – rufen die Kleinen aus dem Kindergarten, als ich den Kindergarten betrete", berichtet Heidi Reith, Pfarrerin in Weidhausen, Dekanat Coburg. Es ist klar, wohin die Frau gehört, die jede Woche mit ihnen singt und eine Geschichte von Jesus erzählt. Meist sind das fröhliche Runden, oft fällt ein ernster Gedanke oder ein Wort, das die Pfarrerin selbst mitnimmt: "Weißt du, Pfarrerin, manchmal vergesse ich, dass ich keine Angst haben muss, weil Gott ist doch da, da ist es schön, wenn du mich dran erinnerst!"

Ein kurzes Gespräch mit einer Erziehenden, deren Mutter im Seniorenheim nicht besucht werden darf, eine andere, die von einem Kind erzählt, das sich so schwer tut mit dem Eingewöhnen in den Kindergarten. Ermutigung, Austausch, Da-sein, eine Ansprechpartnerin haben, von der man weiß: "Die kenne ich, die erzählt nichts weiter, die nimmt sich meistens Zeit." Das ist Gemeindeseelsorge mitten im Leben.

Gemeindeseelsorge hat aber auch mit den äußersten Grenzen des Lebens zu tun

Manchmal hat Gemeindeseelsorge es aber auch mit den äußersten Grenzen des Lebens zu tun. Ein Beispiel dafür berichtet Anne Braunschweig-Gorny, Pfarrerin in Weitramsdorf: Als sie ins Haus kommt, sitzt die Familie schon um einen großen Tisch im Wohnzimmer. Die Großeltern, die Eltern und der dreizehnjährige Daniel, ein Konfirmand. Daniels Vater hatte bei der Gemeindepfarrerin angerufen: Die zwanzigjährige Cousine von Daniel, Mareike, ist vor ein paar Tagen gestorben, es war ein Suizid. Sie hatte eine Depression, aber mit diesem schlimmen Ausgang hat keiner gerechnet. Und jetzt brauchen sie jemanden, der ihnen hilft, mit dem Schrecken umzugehen. Es wird ein offenes Gespräch, in dem jeder am Tisch zu Wort kommt. Über Gefühle wird gesprochen, es wird viel geweint, Erinnerungen werden ausgetauscht. Gemeinsam wird überlegt, was man den Eltern von Mareike sagen kann. Gibt es überhaupt einen Trost? Gibt es so etwas wie die "richtigen Worte"?

Sich gegenseitig stärken und füreinander da sein

Zunächst einmal ist es wichtig, sich gegenseitig zu stärken und zu zeigen, dass man füreinander da ist. Ohne gleich einen Trost parat zu haben, aber auch ohne darüber nachzugrübeln, was vielleicht versäumt oder übersehen worden ist. Schuldgefühle sind bei fast jedem Suizid ein wichtiges und sehr belastendes Thema: Gab es Hinweise, die übersehen worden sind? Habe ich genug getan, habe ich das Richtige getan?
Die Gemeindepfarrerin hört viel zu und gibt an einigen Stellen ihre Gedanken, aber auch etwas von ihrem Glauben zum Gespräch dazu. Sie spricht von ihrer Überzeugung, dass Gott die Verzweiflung von Mareike gesehen hat und sie jetzt mit seiner Liebe und seinem Frieden umgibt.

Gemeindeseelsorge bedeutet, Menschen ein Stück auf ihrem Lebensweg zu begleiten, sagt Anne Braunschweig-Gorny. Mit manchen Menschen bleibt man längere Zeit verbunden, bei anderen sind es Begegnungen zu einzelnen Anlässen oder Situationen. Dabei bekommt es die Gemeindepfarrerin mit der ganzen Spannbreite der Gefühle zu tun: mit tiefem Erschrecken und Trauer, wie bei dieser Familie. Aber auch mit der Freude über die Geburt eines Kindes oder einen runden Geburtstag, mit Ärger über die Nachbarn, Stolz auf die Lebensleistung, Mutlosigkeit und Einsamkeit in der Pandemie.

Wichtig sind die kurzen Begegnungen im Alltag

"Es gibt alles – und oft alles nebeneinander oder kurz nacheinander", sagt Anne Braunschweig- Gorny. Genau das ist es aber auch, was Gemeindeseelsorge zu einer herausfordernden und zugleich schönen Aufgabe macht.

In der Gemeindeseelsorge gibt es auch die vielen kleinen Seelsorge-Situationen im Alltag. "Manchmal will ich nur mal kurz zum Einkaufen gehen und bin dann erst nach zwei Stunden wieder zu Hause", sagt Heidi Reith. Ihr sind diese kurzen Begegnungen im Alltag besonders wichtig, weil man auch mit Menschen ins Gespräch kommt, die sonst nicht so häufig in der Kirchengemeinde auftauchen.

Gemeindeseelsorge kann die Botschaft weitergeben, dass Gott seine Menschen begleitet

Heidi Reith und Anne Braunschweig-Gorny haben beide in der Zeit des Corona-Lockdowns, als Hausbesuche nur im Notfall erlaubt waren, Briefe an ihre Gemeindemitglieder geschrieben und selbst ausgetragen. Manche Kollegen waren skeptisch und fanden, das sei Zeitverschwendung. "Ja, das braucht viel Zeit", sagen beide Pfarrerinnen.

Aber es hat sich gelohnt, wegen der vielen Gespräche an den Haustüren, wegen der Botschaft an die Empfänger der Briefe: Du bist wichtig, du wirst nicht vergessen. Manchmal haben sie später bei Hausbesuchen Teile aus ihren Briefen wiederentdeckt, die Bildkarte oder der Segensspruch hing an der Wand oder lehnte an der Blumenvase auf dem Tisch. Gemeindeseelsorge kann die Botschaft weitergeben, dass Gott seine Menschen begleitet, in den Höhen und Tiefen ihres Alltags und ihres Lebens.

Kontakt

Bitte wenden Sie sich an Ihr Pfarramt in der Kirchengemeinde.

Mehr Informationen: handlungsfelder.bayern-evangelisch.de/handlungsfeld4.php

Serie "Mitten im Leben – Seelsorge und Beratung"

Seelsorge

In der neuen Serie "Mitten im Leben – Seelsorge und Beratung" stellen wir je einen Bereich der Seelsorge der Evangelischen Kirche in Bayern vor.

Folge 1: Landwirtschaftliche Familienberatung der Landeskirche

Folge 2: Telefonseelsorge

Folge 3: Gehörlosenseelsorge

Folge 4: Schulseelsorge

Folge 5: City-Seelsorgestellen

Folge 6: Seelsorge in Alten- und Pflegeheimen

Folge 7: Gemeindeseelsorge

Folge 8: Klinikseelsorge

Folge 9: Polizeiseelsorge

Folge 10: Notfallseelsorge

Folge 11: Seelsorgeausbildung

Folge 12: Studierendenseelsorge

Folge 13: Gefängnisseelsorge

Folge 14: Ehe-, Familien- und Lebensberatung der Diakonie

Folge 15: Militärseelsorge

Folge 16: Schwerhörigenseelsorge

Folge 17: Flughafenseelsorge

Folge 18: Blinden- und Sehbehindertenseelsorge