Beim Schutz der Umwelt teilen die drei Weltreligionen Islam, Judentum und Christentum Motive und Werte und blicken durchaus selbstkritisch auf ihre eigene Rolle. "Das Christentum ist für die ökologische Krise mitverantwortlich", sagte Kerstin Schlögl-Flierl, Professorin für Moraltheologie an der Universität Augsburg.

Die Sichtweisen der Weltreligionen wurden bei einem digitalen Vortrag über "Natur und Schöpfung" des Bayerischen Forschungszentrums für Interreligiöse Diskurse (BaFID) an der Universität Erlangen-Nürnberg am Mittwoch diskutiert. Als gemeinsamen Leitgedanken für den Umweltschutz wurde immer wieder die Verantwortung des Menschen genannt, die er als Teil der Schöpfung Gottes trage.

Liebe zur Natur im Judentum tief verankert

Im Judentum sei dieser Bezug tief verankert, sagte Jonathan Schorsch, Professor für Jüdische Religions- und Geistesgeschichte an der Universität Potsdam. Dies zeige sich zum Beispiel an der Liebe zur Natur des Heiligen Landes. "Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts waren viele Gründer von Bergsteigervereinen Juden", fügte er hinzu.

Ab den 1970er-Jahren seien Umweltbelange immer stärker in das jüdische Denken eingeflossen, zum Beispiel in Form des Eco-Kashrut, das die traditionellen Speisegesetze um Regeln zu einem nachhaltigen Umgang mit der Umwelt erweiterte.

Christliches Selbstverständnis hat sich geändert

Lange Zeit sei aus der Schöpfungsgeschichte ein Herrschaftsauftrag des Menschen gelesen worden, der die Natur instrumentalisierte, sagte Kerstin Schlögl-Flierl. Inzwischen habe sich das christliche Selbstverständnis geändert:

"Der Mensch ist mit der Umwelt erschaffen worden und in sie eingebunden."

Im Katholizismus habe sich durch Papst Franziskus die Sorge für "das gemeinsame Haus" etabliert. Dadurch finde ein weltkirchliches Denken auch in Umweltfragen statt, "denn die Klimakrise betrifft uns alle". Eine Leitfrage sollte immer sein, ob Handlungen "enkeltauglich" seien:

"Auch unsere Enkel sind Kinder Gottes."

Islam: Koran stellt Natur als etwas Lebendiges dar

Asmaa El Maaroufi, Forscherin am Zentrum für Islamische Theologie an der Universität Münster, stellte zunächst fest:

"Oft ist man ganz überrascht, wenn man erfährt, dass einige muslimische Projekte zum Klimaschutz im Gange sind."

Als Beispiel nannte sie ein Projekt in Jordanien, bei dem das Wasser für die rituellen Gebetswaschungen in Moscheen für die Bewässerung von Grünanlagen oder die Toilettenspülung wiederverwendet wird.

Der Diskurs rund um den Klimaschutz sei in Jordanien schon viel weiter, "weil es dort kein Problem der Zukunft, sondern der Gegenwart ist". Der Koran selbst stelle die Natur als etwas Lebendiges dar. Alles Sein trage das Zeichen Gottes und müsse deshalb geschützt werden.

 

Die digitale Sommerreihe "Drei Termine, drei Themen, drei Religionen" des BaFID, des Zentrums für Globale Fragen und des Lehrstuhls für Völkerverständigung der Hochschule für Philosophie München will Alltagsthemen interreligiös betrachten. Auf Impulsvorträge der Expertinnen und Experten der Religionen folgt ein Gespräch mit dem Publikum. Die weiteren Themen sind "Leiden und Heilung" am 15. Juni sowie "Fremdes und Wahrheit" am 29. Juni.