"Beim zweiten Ansturm auf die Sperre hat Willi die tödliche Kugel getroffen. Kameraden der Sturm-SS haben Willi am Heldenfriedhof neben seinen Kameraden bestattet." In Bastia auf Korsika fiel im November 1943 Wilhelm Gräbner.

Das berichtet in einem Brief nach Gräfenberg (Landkreis Forchheim) ein Hauptmann der jungen Witwe Margarete Gräbner. Ihre Tochter, die auch Margarete heißt, ist damals zehn Jahre alt. Der kleinen Familie bleibt die Schwarzweiß-Fotografie eines Mannes, der die Soldatenmütze etwas schief auf dem Kopf trägt und mit warmem Blick in die Kamera lächelt.

Enkelin sucht Grab des Großvaters

Mehr als 75 Jahre später packt Enkelin Gabriele Klieme aus Feucht (Landkreis Nürnberger Land), Tochter der jüngeren Margarete, dieses Bild, ein paar Briefe und eine "beglaubigte Abschrift der Truppenmeldung" über den Tod Wilhelm Gräbners in Klarsichthüllen und macht sich mit ihrem Mann Jürgen auf nach Korsika, um das Grab ihres Großvaters zu suchen.

"Ich kannte ihn ja gar nicht, den Opa", sagt die 61-Jährige, "aber ich wollte schon immer einmal das Grab suchen." Inzwischen ist für sie klar: Keiner weiß, wo Willi Gräbner liegt.

Grabsuche auf Korsika

Den Heldenfriedhof, von dem im Brief an die Großmutter die Rede ist, gibt es nicht mehr. Stattdessen wurde vor etwa 50 Jahren der deutsche Soldatenfriedhof eingeweiht, der in der Hafenstadt Bastia etwas versteckt in einem Wohnviertel mit Villen und Appartementhäusern auf einer Anhöhe liegt.

Der bisherige Soldatenfriedhof muss ein trauriger Anblick gewesen sein. Eine alte Fotografie zeigt schiefe und umgefallene Holzkreuze auf einem unebenen, löchrigen Feld.

Korsika: Alte Fotografie vom ehemaligen Soldatenfriedhof vor Umbettung nach Bastia.
Korsika: Alte Fotografie vom ehemaligen Soldatenfriedhof vor Umbettung nach Bastia.

Kreuz erinnert an Friedhof

Wie ein Park wirkt diese Anlage auf vier grünen Terrassen, auf denen über 400 graue Granitblöcke stehen, umrahmt von duftenden, orange und gelb blühenden Wandelröschen, Bougainvillea, Oleander, Palmen und Bananenstauden.

Auf einer Plattform im oberen Teil der Anlage steht ein vier Meter hohes weißes Kreuz aus Carrara-Marmor, dessen Form an eine Figur mit ausgebreiteten Armen erinnert. Zu ihren Füßen sind 811 deutsche Tote des Zweiten Weltkriegs und 28 Kriegsgefange aus dem Ersten Weltkrieg bestattet. 839 Namen stehen auf den Granitblöcken.

Ehepaar aus Franken auf der Suche

Gabriele und Jürgen Klieme haben diesen Deutschen Soldatenfriedhof im vergangen Jahr im September besucht. Das Ehepaar aus Franken geriet da zufällig in eine hochoffizielle Zeremonie, zu der Luftwaffenattaché Martin Bungert als Vertreter der deutschen Botschaft, französische und korsische politische Repräsentanten, Vertreter des Volksbunds Deutscher Kriegsgräberfürsorge und eine Gruppe mitreisender Journalisten gekommen waren.

Dabei erinnerte man an das deutsch-französische Kriegsgräberabkommen, das 1955 in Kraft trat und in dem festgelegt worden war, für alle auf der Insel Korsika gefallenen und verstorbenen deutschen Soldaten einen neuen Friedhof anzulegen.

Auf der Suche

Die Umbettungen fanden im Jahre 1964 statt, heißt es in Unterlagen des Volksbunds Deutscher Kriegsgräberfürsorge. Es seien dabei bisher nicht bekannt gewesene Gräber aufgefunden und eine große Anzahl unbekannter Toter identifiziert worden. Auf diesem früheren Friedhof könnte der Großvater von Gabriele Klieme noch ein Grab gehabt haben. Nun aber fehlt sein Name auf der Bastia-Liste der Toten des Zweiten Weltkriegs.

Aus dem Zweiten Weltkrieg gibt es heute noch über eine Million Vermisstenfälle. 3,5 Millionen Mal im Jahr wird die Internetseite "www.graebersuche-online.de" des Volksbunds aufgerufen, sagt der bayerische Landesgeschäftsführer des Volksbunds Deutscher Kriegsgräberfürsorge, Jörg Raab.

Vermisstenfälle

Rund 1.500 Anfragen erreichen den Volksbund per Mail oder Brief, berichtet die Pressesprecherin des Bundesverbandes Diane Tempel-Bornett. Rund die Hälfte der Nachforschungen müsse man abschlägig beantworten.

"Aber auch heute ist da immer noch Bewegung drin", erzählt Tempel-Bornett von einer erst vor ein paar Tagen gefundenen Namensliste mit 166 deutschen Gefallenen, die auf dem Soldatenfriedhof Budaörs bei Budapest begraben sind.

"Bei den Umbettungen zum deutschen Soldatenfriedhof Bastia wurde leider bei keinem der Gefallenen die Erkennungsmarke Ihres Großvaters mit der Beschriftung -781-3.Kp.Ldschtz.Ers.Btl.13 gefunden", lautet aber die Mitteilung, die Kliemes vom Gräbersuchdienst erhalten haben.

Suche nach Großvater Wilhelm

Es sei möglich, dass Wilhelm Gräbner einer jener "immer noch recht zahlreichen unbekannten deutschen Soldaten" ist, die auf dem Friedhof Bastia "unter den Unbekannten" bestattet sind.

Als Trost bleibt der Enkelin in Feucht, dass nun die Personalien von Wilhelm Gräbner in den Unterlagen des Gräbersuchdienstes erfasst sind. "Somit ist gewährleistet, dass er wenigstens für eine Kriegsgräberstätte dokumentiert und nicht vergessen wird", schreibt eine freundliche Sachbearbeiterin. Gabi Klieme hat die Grabsuche damit beendet.

Aber mit Bedauern sagt sie: Für ihre Mutter, die damals zehnjährige Margarete, wäre eine andere Auskunft "ein schöner Abschluss gewesen".