Derzeit dürfte Oberammergau wohl der Ort mit der höchsten Gottesdienst-Dichte in Deutschland sein: 14 Heilige Messen, sieben Abendmahlsgottesdienste und fünf Orgelandachten pro Woche, dazu offene Treffs und Kunstinstallationen haben die katholische Kirche St. Peter und Paul und die evangelische Kreuzkirche Oberammergau während der 42. Passionsspiele zwischen Mai und Oktober auf dem Zettel.

Das kirchliche Begleitprogramm "Leidenschaft leben" wolle den Fragen und Emotionen der Theaterbesucher und -besucherinnen Raum geben, heißt es auf der Homepage der Kreuzkirche.

Protestanten laden zum persönlichen Gespräch

Zusätzlich laden die Protestanten an jedem Spieltag zum persönlichen Gespräch in der dreistündigen Pause ein. "Tee, Kaffee, Toiletten", das sei für manche der Anlass zu kommen, sagt Pfarrer Peter Sachi lachend. Immer ergäben sich bei Butterbrot und Tee aber auch Gespräche über das Stück selbst.

"Die Menschen sind berührt von der Aktualität der Passion und wie nahe uns das Geschehen mit Krieg und Pandemie gerade ist."

An manchen Tagen kämen weit über fünfzig Menschen in den Gemeindesaal.

Gäste aus mitteleuropäischen Ländern, wo die Entchristlichung schon weiter fortgeschritten sei, nähmen die Botschaft des Stücks neu wahr. Und in den beiden Briefkästen der Kirchengemeinden lägen jeden Abend "Postkarten an den lieben Gott", auf denen die Absender ihre Lebensfragen notiert hätten. "Wir vom Bodenpersonal beantworten alle Karten schriftlich", sagt der Pfarrer.

Viele Seelsorger*innen nehmen sich extra für Passion frei

Um alle Aufgaben zu bewältigen, seien täglich zwei Gästeseelsorger, ein Kirchenmusiker und Ehrenamtliche der Gemeinde im Einsatz. Zwei bis drei Wochen dauere die "Schicht" der Urlauberpfarrer und Organisten, "viele von ihnen nehmen sich für die Passionsspiele extra frei", so Sachi.

Für den Ortspfarrer ist es die zweite Passion und die erste, an der er selber mitwirkt: Bei 65 von 110 Aufführungen singt Peter Sachi im Bass des großen Passionsspiel-Chors mit. Für ihn ein Privileg, denn der gebürtige Münchner lebt erst seit 13 Jahren in Oberammergau. "Pfundig" sei das Miteinander im Chor, viele junge Leute seien diesmal dabei, manche Darsteller kenne er noch aus dem Religionsunterricht.

Dass er die Passion trotz der coronabedingten Verschiebung um zwei Jahre noch mitgestalten darf, dafür ist der Pfarrer dankbar. Denn die letzte Aufführung am 2. Oktober läutet auch seinen Abschied von Oberammergau ein: Ab 1. November ist Peter Sachi im Ruhestand.