Frank Witzel hat Erfahrung mit Kirchen, in denen einmal eine andere Konfession feierte. Jahrelang war der Pfarrer in der Schweinfurter Lukasgemeinde in Unterfranken aktiv. Auch dort lebten amerikanische Soldatenfamilien nach Ende des Zweiten Weltkriegs in Siedlungskomplexen mit eigenständiger Infrastruktur und amerikanischem Ambiente. So war es auch im Augsburger Stadtteil Kriegshaber.

Als Witzel vor anderthalb Jahren dort in die Thomasgemeinde kam, fand er neben der 1961 eingeweihten Thomaskirche auch eine bereits im Juli 1954 errichtete Kapelle in der ehemaligen amerikanischen Siedlung vor. Die war im Jahr 2003 umgebaut und von der Gemeinde übernommen worden. "Ich kenne keine Kirche, die so gut genutzt wird", schwärmt Witzel. Sie ist ein Bestandteil der sogenannten "Evangelischen Meile", an der neben Kindertagesstätten auch ein Bildungszentrum angesiedelt ist.

Öffnung für Freikirchen "innerprotestantische Ökumene"

Das Kirchlein wird von Gruppen wie dem Posaunenchor oder der diakonischen Tischgemeinschaft ebenso wie von Gästen genutzt, zu denen auch Freikirchen gehören. Witzel sieht die Öffnung auch diesen gegenüber als Teil der "innerprotestantischen Ökumene", die natürlich auch für andere gelte. Außerdem ist hier in den Räumen für Kinder und Jugendliche die Jugendarbeit zuhause, die mit der benachbarten Gemeinde Stadtbergen kooperiert. Der zusammengesetzte Name "Tombergen" setzt auch ein Zeichen der Gemeinschaft.

Oft trifft sich auch in dem hellen, von einem gemütlichen Holzboden und breiten Fensterflächen geprägten Hauptraum die russlanddeutsche Gemeinde. Deren Familien haben sich nach dem Wegzug der Amerikaner im Jahr 1998 in den Straßenzügen um die Chapel angesiedelt. "Der Stadtteil wurde langsam zum sozialen Pulverfass. Die Chapel bietet seitdem eine Vielzahl an Möglichkeiten, hier den Druck herauszunehmen", meint Witzel.

Chor singt nicht nur kirchlich

Das klappt in der Regel auch sehr gut beim Singen. Die "Chaplains" sind ein gemischter Chor aus rund 30 Frauen und Männern, der seit November 2021 von Hedwig Oschwald geleitet wird. Die Musikwissenschaftsstudentin hat den Chor auf dem Höhepunkt der Corona-Krise übernommen und ist heute ein bisschen stolz darauf, dass die Gemeinschaft in dieser Zeit sogar noch gewachsen ist.

Der Chor singt nicht nur im kirchlichen Rahmen, sondern gibt auch außerhalb Konzerte und Gastspiele. "Wir haben es wirklich geschafft, dass sogar neue Sängerinnen und Sänger hinzugekommen sind", freut sie sich. Gerne erinnern sich Hedwig Oschwald und Frank Witzel an den Gottesdienst, zu dem das Beatles-Stück "Let it be" gut thematisch passte und der Chor den Song spontan einstudierte.

"So etwas klappt nur, wenn man ein gutes Miteinander auch immer wieder pflegt", sagt Oschwald überzeugt.

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