Zwei Stunden hat Jens Ruppert gebraucht, um alle Bauteile über Wendeltreppen und eine zehn Meter hohe, steile Feuerleiter ins oberste Geschoss zu bugsieren. 25 Zacken in Weiß und Rot hat der Verkaufsleiter der Herrnhuter Sterne-Manufaktur auf ein Edelstahlgerüst geschraubt, das an Stahlseilen unter dem Dach des 51 Meter hohen Kirchturms der evangelischen Matthäuskirche baumelt.
Jetzt prangt ein 2,5 Meter großer, 18 Kilogramm schwerer "Herrnhuter" im Freiluftgeschoss der Bischofskirche und leuchtet weithin sichtbar über die Münchner City mit ihren Christkindlmärkten und Glühweinbuden.
Schon lange hatte Norbert Roth die Idee eines XXL-Sterns für St. Matthäus mit sich herumgetragen. "Ich fand immer die Idee schön, dass der Herrnhuter Stern den Stern von Bethlehem darstellt", sagt der Pfarrer der Citykirche. Dank eines Spenders aus der Gemeinde und der Hilfe aus Herrnhut habe die Idee pünktlich zum ersten Advent verwirklicht werden können.
Denn damit Sterne-Chef Oskar Scholz den Auftrag für eine Sonderanfertigung erteilt, müssen drei Dinge zusammenkommen: Der Wille des Kunden, die Botschaft des Sterns weiterzutragen; die technischen Bedingungen für die Aufhängung; und die Bedeutung des Orts. "St. Matthäus ist die älteste evangelische Kirche von München und zugleich Bischofskirche, da ist unser Stern am richtigen Platz", sagt der Geschäftsführer der Sterne-GmbH im sächsischen Landkreis Görlitz. Als reines Prestigeobjekt zu Werbezwecken, betont Scholz, würde der Stern nicht angeboten.
Herrnhuter Sterne haben sich in den letzten zehn Jahren zum Exportschlager entwickelt: 140 Mitarbeiter stellen pro Jahr rund 700.000 Sterne aus Kunststoff oder Papier her.
Der "Herrnhuter" gilt als Mutter aller Weihnachtssterne: Schon Anfang des 19. Jahrhunderts leuchtete der erste Papierstern in den Internatsstuben der Herrnhuter Brüdergemeine, einer von Nikolaus Graf von Zinzendorf begründeten christlichen Siedlung. Als Geometrie-Übung und als Mittel gegen Heimweh bastelten dort die Schüler komplizierte Sterne mit 25 Zacken und schickten sie ihren Eltern, die als Missionare in Übersee arbeiteten.
Der größte Herrnhuter, den man heute im Shop der modernen Manufaktur bestellen kann, misst 190 Zentimeter. Von den 2,5-Meter-Exemplaren gibt es deutschlandweit bislang nur sieben, zum Beispiel im Bundeskanzleramt, im Berliner Dom und auf dem Dresdener Striezelmarkt.
Für Geschäftsführer Scholz ist der Stern "eine Brücke für alle Menschen guten Willens und ein Botschafter in die Welt hinaus".
Dass mit dem achten Riesenstern in der Münchner Matthäuskirche nun auch ein Standort im Süden Deutschlands hinzukommt, freut ihn besonders. Ebenso wie den "Hausherrn" von St. Matthäus, den bayerischen Landesbischof und EKD-Ratsvorsitzenden Heinrich Bedford-Strohm. Es sei schön, "dass jetzt ein Herrnhuter Stern vom Turm der Bischofskirche aus Licht und Zuversicht ausstrahlt", sagte er bei der Übergabe des Sterns am Samstag. Die vielen Lichter im Advent seien für ihn kein Brimborium, sondern eine Gelegenheit zur Stille und Neubesinnung. "Der Stern verkörpert etwas, was wir nicht geben, sondern nur empfangen können, nämlich den Segen", sagte der Bischof - und nahm von Sterne-Chef Scholz strahlend einen kleinen Herrnhuter im Wohnzimmerformat entgegen.