Eigentlich ist sie eine "ziemlich normale" Pfarrerin, wie sie sagt. Daniela Milz-Ramming tauft, traut und beerdigt. Und sie predigt - allerdings mit den Händen. Die Landespfarrerin für evangelische Gehörlosenseelsorge in Württemberg ist derzeit die einzige protestantische hauptamtliche Gehörlosenseelsorgerin in Württemberg.

Milz-Ramming ist selbst hörend, aber liebt die Gebärdensprache: "Sie ist eine wunderschöne Art der Kommunikation", ist sie überzeugt.

Bereits im Studium begann sie aus Interesse, Gebärden zu lernen und hat dann ihre Ausbildung zur Pfarrerin, ihr Vikariat, im Gehörlosenpfarramt gemacht.

Gehörlose wurden erst in den Achtzigern selbstbewusster

Dass Gehörlose gebärden, das war lange Zeit alles andere als selbstverständlich: Beim sogenannten "Mailänder Kongress" im Jahr 1880 trafen sich europaweit Pädagogen, die übereinkamen, dass die Lautsprache bei der Ausbildung von Gehörlosen der Gebärdensprache vorzuziehen sei und deshalb Gehörlose nur in dieser unterrichtet werden sollen und ihre Hände bei der Kommunikation nicht verwenden dürfen. "Erst rund ein Jahrhundert später, in den 1980er-Jahren wurden die Gehörlosen selbstbewusster und begannen sich zu wehren, doch bis dahin war ihr Bildungsniveau bereits rapide gesunken", erläutert Milz-Ramming.

Die Gebärdensprache besteht aus drei Teilen, berichtet die Seelsorgerin. Die Erste ist die Gebärde: Bei dem Wort "Marmelade" beispielsweise eine Streichbewegung. Hinzu kommt ein Mundbild: Erst wenn der Mund zu dem Wort "Marmelade" geformt wird, weiß man zum Beispiel, dass es sich um einen Fruchtaufstrich und nicht um Nutella handelt, das dieselbe Gebärde hat. Und als Drittes braucht es auch noch die Mimik, die zeigt, ob man Marmelade mag oder nicht.

Gebärdensprache ist "ehrliche Sprache"

"Die Gebärdensprache ist eine ehrliche Sprache", weiß die Theologin. Wenn jemandem etwas nicht gefällt, dann sehe man das deutlich im Gesicht, was auch zu Problemen führen könne. Beispielweise zeigten gehörlose Menschen mit ihrer Mimik sehr deutlich, was sie hassen und was sie mögen - und das sei für hörende Menschen, die das nicht gewohnt sind, manchmal verstörend, weil es sehr intensiv wirke, weiß sie.

"Aber mir gefällt das gerade, dass die Sprache den ganzen Körper mitnimmt".

Besonders liebt sie die Lieder in Gebärdensprache, die mit ihren sanften, Choreografie-artigen Bewegungen auch Hörende faszinieren können.

Auf ihrer Adressliste stehen 1.600 Menschen, die gehörlos oder hörgeschädigt sind und bereits in Kontakt mit der Gehörlosenseelsorge kamen - unter anderem auch durch die Regionalkirchentage für Gehörlose. Gemeinsam mit einem Team von neun Pfarrerinnen und Pfarrern im Neben- und Ehrenamt sowie einer Diplomtheologin bietet sie an zwölf Orten in Württemberg Gottesdienste an, zu denen jeweils 15 bis 80 Menschen kommen. Die Pfarrpersonen, die sie unterstützen, können meist nur zwei bis sechs Gottesdienste pro Jahr anbieten, da es zeitlich sehr herausfordernd ist, neben ihrem eigentlichen Amt in der Gemeinde die Gebärdensprache zu lernen und die Gottesdienste vorzubereiten.

Ende Oktober feiert Gehörlosengemeinde in Ulm Jubiläum

Deshalb nehmen viele der Gehörlosen oft eine lange Fahrt in Kauf, um sonntags in einen Gehörlosengottesdienst zu gehen, um sich zu sehen, zu beten und anschließend Kaffee zu trinken. "Die Gemeinschaft ist immer sehr wichtig, es geht auch darum, unproblematisch kommunizieren zu können." Aus diesem Grund bietet die Gehörlosenseelsorge auch Freizeiten an, in denen "Gemeinde auf Zeit" erlebt werden kann. Am 29. Oktober feiert die Gehörlosengemeinde in Württemberg im Haus der Begegnung in Ulm ein Jubiläum: Seit 100 Jahren gibt es, wie Dokumente belegen, in Württemberg evangelische Gottesdienste in Gebärdensprache.

"Tägliche Kontakte laufen über das hier", sagt Milz-Ramming, die in der Nähe von Ulm wohnt und deutet auf ihr Smartphone. Für sie ist es ein Segen, dass man über Videotelefonie auch mal "etwas per Bild sagen kann". In seelsorgerlichen Gesprächen geht es auch immer wieder um Probleme, die aus der Gehörlosigkeit resultieren. Wenn ein tauber Mensch beispielsweise ohne es zu wissen, Geräusche im Fitnessstudio macht, die andere Besucher stören, oder es zu Missverständnissen mit Hörenden kommt, weil die oft aus Unsicherheit heraus sehr viel lächeln und dies die Mimik und das "Vom-Mund-Ablesen" erschwert. Milz-Ramming rät hörenden Menschen, dass sie im Gespräch mit Gehörlosen diese direkt anschauen, in kurzen, einfachen Sätzen sprechen und das Gesprochene mit natürlichen Gesten unterstreichen.

Für ihre Arbeit wünscht sich die Landes-Gehörlosenpfarrerin, dass es mehrere hauptamtliche, gut in Gebärdensprache und der Kultur der Gehörlosenwelt ausgebildete Pfarrerinnen und Pfarrer gibt, die die Arbeit auf der großen Fläche tragen und sich auch gegenseitig vertreten können - wie das beispielsweise in der bayerischen und westfälischen Landeskirche der Fall ist. 

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