Der Nebel liegt schwer über dem Rasen im Englischen Garten. Heinrich Bedford-Strohm hat den Kragen hochgeschlagen, es ist kalt. Wie jeden Tag hat der bayerische Landesbischof sein Morgenvideo aufgenommen - ganz allein, mit Selfiestick. "Geht gesegnet und behütet in diesen Tag", sagt er zum Schluss. In einer englischen Version des Morgenvideos heißt es bereits: "Go blessed and guarded by God into this week." Es ist ein Vorgeschmack auf das, was kommt, wenn er an diesem Sonntag (29. Oktober) offiziell aus seinem Bischofsamt scheidet. Aus dem täglichen Video-Impuls soll ein wöchentlicher werden.

Facebook-Bischof und öffentliche Theologie

Als Facebook-Bischof haben ihn die Medien kurz nach seinem Amtsantritt Ende 2011 betitelt. Seine von ihm selbst verfassten Beiträge waren auch ein Ausdruck seiner theologischen Ausrichtung: Bedford-Strohm ist ein Vertreter der sogenannten öffentlichen Theologie. Das Christentum soll auf gesellschaftliche und politische Herausforderungen der Gegenwart Antworten geben und Orientierung bieten. Aus dieser Überzeugung hat sich stets auch sein Engagement in der Migrationsfrage gespeist. In seiner Zeit als Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (2014 bis 2021) machte er sich für die Seenotrettung stark.

Dass Bedford-Strohm einmal eines der bekanntesten Gesichter der evangelischen Kirche sein würde, dafür sprach nach seiner Wahl zum Landesbischof Anfang 2011 erst einmal nicht so viel. Denn vor der Zeit im Bischofsamt war der 63-jährige Theologe vor allem als Sozialethiker unterwegs. Seinen Doktortitel hatte er unter dem späteren EKD-Ratsvorsitzenden Wolfgang Huber an der Uni Heidelberg erworben, anschließend war der gebürtige Memminger, der aus der fränkischen Pfarrer-Dynastie Strohm stammt, nur kurz als Gemeindepfarrer in Coburg im Einsatz, ehe er 1999 vertretungsweise und 2004 ordentlicher Professor wurde.

Von Anfang an klar gegen rechts

Für viele Beobachter war Bedford-Strohm deshalb auch erst ein unbeschriebenes Blatt - was sich aber schnell durch seine klaren Positionierungen ändern sollte. Er stellte sich von Anfang an klar gegen jedwedes rechtes Gedankengut, gegen die zunehmende Polarisierung in den gesellschaftlichen Debatten, er stellte sich an die Seite von Klimaaktivisten und versuchte dabei immer wieder auch eine Moderatoren- und Vermittlerrolle einzunehmen. So lud er beispielsweise im Dezember vergangenen Jahres Vertreter der "Letzten Generation" und den bayerischen Innenminister Joachim Herrmann (CSU) zu Gesprächen in sein Büro ein.

Ein großes Anliegen war dem profilierten evangelischen Theologen auch immer die Ökumene. Zusammen mit dem Münchner Erzbischof Kardinal Reinhard Marx verbindet Bedford-Strohm nicht nur eine persönliche Freundschaft. In Marx' Zeit als Vorsitzender der katholischen Deutschen Bischofskonferenz bildeten die zwei für mehrere Jahre das "Machtzentrum" der großen deutschen Kirchen in München. So war es Bedford-Strohm ein Anliegen, das Reformationsjubiläum 2017 nicht als "500 Jahre Abgrenzung" zu anderen Konfessionen zu begehen, sondern die Gemeinsamkeiten zwischen Katholiken und Protestanten zu betonen.

Schwere Themen wie Missbrauch und Mitgliederschwund

Zu den vermutlich schwersten Themen seiner Amtszeit als Landesbischof dürften die Komplexe Missbrauch und Mitgliederschwund gehört haben - die durchaus zusammenhängen. Seit vielen Jahren schon steht er im direkten Kontakt mit Betroffenen, die institutionelle Aufarbeitung "über die Einzelfälle hinaus" ging ihm selbst zu zögerlich und zu spät voran. Dass die Kirchen deshalb in einer Vertrauenskrise stecken und auch deshalb viele Mitglieder verlieren, schmerze ihn. Zugleich appellierte er zum Bleiben.

Denn: "Jeder Austritt sorgt auch dafür, dass die Kirche weniger Geld in segensreiche Dinge wie die Diakonie stecken kann."

Dass Bedford-Strohm nun wirklich kürzertreten wird, ist schwer vorstellbar. Dafür wird sein neues Ehrenamt als Vorsitzender des Zentralausschusses des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) sorgen, das er seit mehr als einem Jahr innehat. Vorgenommen hat er es sich allerdings durchaus: Er will sich regelmäßig "terminfreie" Phasen gönnen, um mehr Zeit für seine Familie und vor allem seine Enkel zu haben. Zu diesem Plan gehört auch die Neuerung bei den Morgenvideos nach seiner Bischofszeit. "Es wird weitergehen - aber in anderer Form, nämlich als Wochenanfangsvideo", kündigte Bedford-Strohm an, natürlich auf Facebook.

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