Die evangelische Theologin Margot Käßmann hat die kirchliche Trauung von Finanzminister Christian Lindner (FDP) und der Journalistin Franca Lehfeldt kritisiert.

"Weshalb wünschen zwei Menschen eine kirchliche Trauung, die bewusst aus der Kirche ausgetreten sind, ja öffentlich erklärt haben, dass sie sich nicht als Christen verstehen?",

schrieb Käßmann in ihrer Kolumne für "Bild am Sonntag".

Käßmann: Lindner nutzt Kirche nur als Kulisse

Hier sei es nicht um christlichen Inhalt, sondern um eine Kulisse gegangen, erklärte die frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Dafür aber sollte sich die Kirche nicht hergeben. Gotteshäuser seien Orte, in denen Menschen über Jahrhunderte Freud und Leid vor Gott bringen. "Sie sind durchbetete Räume, die Trost spenden." Durch Kirchenmitgliedschaft und ehrenamtliches Engagement werde der Erhalt dieser Räume ermöglicht.

Es sei richtig, dass mindestens ein Ehepartner Kirchenmitglied sein müsse, damit eine kirchliche Trauung stattfinden könne, betonte Käßmann. Gebe es an dieser Stelle eine Rechtslücke, sollte sie schnellstmöglich geschlossen werden:

"Sonst degradieren wir unsere traditionellen Räume, in denen Christen Gott die Ehre geben, zu billigen Eventlocations."

Bischof verteidigt kirchliche Trauung

Linder und Lehfeldt hatten am Samstag in der evangelischen Kirche St. Severin in Keitum auf Sylt geheiratet. Der evangelische Bischof von Schleswig und Holstein, Gothart Magaard, hatte die kirchliche Trauung verteidigt.

Zwar sehe die Lebensordnung der Nordkirche vor, dass bei einer Trauung mindestens ein Partner Mitglied sein soll. Ausnahmen lägen jedoch im Ermessen des Seelsorgers. "Es ist etwas Wunderbares, wenn sich zwei Menschen den Segen Gottes zusprechen lassen wollen", betonte der Theologe.

Auch die Hannoversche Regionalbischöfin Petra Bahr teilte ihre Meinung auf Twitter mit. Sie erklärte, man könne durchaus über Sinn oder Unsinn dieser kirchlichen Trauung streiten, betonte aber, dass man aus der Ferne keine Diagnosen stellen solle.

Im Netz viel Kritik an Lindner

Auch im Netz findet sich viel Kritik an Lindners Entscheidung, sich kirchlich trauen zu lassen. Dabei überwiegt das Unverständnis, warum Menschen, die aus der Kirche austreten, dennoch in einer Kirche heiraten.

Auch der Metereologe Kachelmann hat dafür kein Verständnis.

Ein*e User*in vermutet gar neoroyalistische Motive hinter der Entscheidung

Ein Bürgermeister aus Nordhessen kritisiert ebenfalls, das Lindner Kirche lediglich als Kulisse nutzt, wünscht aber trotzdem Gottes Segen.

Diese User*in zeigt wenig Verständnis:

Vereinzelt gibt es auch Verständnis

Die Kritik überwiegt sehr eindeutig. Es gibt aber auch einzelne Stimmen, die Lindners Entscheidung verteidigen, zum Beispiel der "Zentralrat der Konfessionslosen":

Wie oft werden Nicht-Mitglieder in Kirchen getraut?

Bei aller Kritik: Die Sorge, dass die Ausnahme für den Finanzminister Kirchenmitglieder verärgern könne, teile er nicht, sagte Bischof Magaard. Auch glaube er nicht, dass der Fall die Glaubwürdigkeit der evangelischen Kirche beschädigen könne:

"Mit dieser Ausnahme setzen wir ein Zeichen der Gastfreundschaft und der Großzügigkeit."

Die Regel, dass bei kirchlichen Trauungen mindestens ein Partner Mitglied der evangelischen Kirche sein soll, gilt in allen 20 Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Dennoch lassen Kirchengemeinden regelmäßig Ausnahmen zu.

Besonders häufig kommt es jedoch nicht vor: Der Anteil der evangelisch getrauten Paare, bei denen kein Partner Mitglied einer evangelischen Landeskirche ist, liegt seit 2015 bei jährlich 0,3 bis 0,4 Prozent.

EKD: Kurschus verteidigt kirchliche Trauung

Dei Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat mittlerweile ebenfalls Stellung zu Lindners Hochzeit bezogen. Die Ratsvorsitzende Annette Kurschus betont in einem Interview mit dem "Westfalenblatt":

"Sonderangebote für Reiche und Wichtige zu machen ist nicht unser Ding, und das wird es auch nie sein."

Der Trauung sei auf Entscheidung der Pfarrerin vor Ort durchgeführt worden, sie vertraue ihr, dass das Gespräch mit dem Paar und "reiflichem Überlegen" sie dazu bewogen habe.

(Mit Material von epd)