Herr Klenner, wird der evangelische Religionsunterricht in den Schulen personell Bestand haben können?

Thomas Klenner: Meine feste Überzeugung ist, dass wir in Zukunft einen christlichen Religionsunterricht machen werden. Perspektivisch gesehen werden wir das Modell in ganz Bayern bekommen. Das heißt, wir werden noch enger als bisher mit den katholischen Kolleginnen und Kollegen zusammenarbeiten. Dabei vereinen wir unsere Kräfte und unser Personal. Wir können zwar noch keine Abendmahlsgemeinschaft bilden, aber wir können die religiöse Bildung in den Schulen gemeinsam verantworten.

Wie kann man sich das vorstellen, ohne dass konfessionelle Identitäten verloren gehen?

Es gibt bereits viele Schnittstellen im Lehrplan und viele Projekte, die schon jetzt ökumenisch sind. Unser konfessionelles Expertenwissen bleibt ja trotzdem erhalten: Reformationszeit und Martin Luther, wie im Lehrplan vorgesehen, werden dann eher von evangelischer Seite vermittelt, bei den Sakramenten und dem Papst sind die katholischen Kollegen gefragt. Ich denke, wir haben da einen großen Freiraum, das so zu machen.

Wie kann man Kinder und Jugendliche für das Fach Religion begeistern?

Indem wir authentisch bleiben als Kirche, dass wir deutlich machen, dass Religionsunterricht kein Folklorefach ist, sondern dass er sich mit den Sinnfragen des Lebens beschäftigt. Wenn man das den Kindern und Jugendlichen authentisch vermittelt, dann merken sie auch, dass der Religionsunterricht eine Oase der Menschlichkeit ist. Und dass es über dem Menschen noch jemanden gibt, dem man sich anvertrauen kann, der einen entlastet, der einem auch ein Stück weit Gelassenheit zeigt.

Wichtig ist auch unser Menschenbild, dass man betont, dass es nicht nur um Leistung geht, sondern dass man auch schwach sein darf.

Wie steht es um die gesellschaftliche Relevanz des Religionsunterrichts?

Wenn ich nur an die Schulgottesdienste an Weihnachten, Ostern, zum Schuljahresanfang und -schluss denke, die werden von den Schulen für wertvoll erachtet. Vor zwei Jahren hatten wir einen Suizidfall an der Schule: Die Schulleitung war unendlich dankbar, dass Religionslehrkräfte die Kinder aufgefangen haben. Ich erlebe immer mehr, dass auch Ethik-Schüler Interesse an den Kirchen finden. Wir leben in Deutschland im Kirchenjahreskreis, der unsere Gesellschaft prägt. Religion ist mehr als normaler Unterricht. Wir nehmen auch keinem Hauptfach etwas weg, im Gegenteil: Wir entlasten, weil wir die jungen Menschen ernst nehmen.

Kommentare

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PeterG am So, 11.06.2023 - 14:29 Link

Das halte ich für euphemistisch. Ich bin evangelischer Religionslehrer und musste aus personellen Gründen auch schon kath. RU erteilen. Es gibt tatsächlich Überschneidungen bei den Themen, aber nicht bei Zielen, Inhalte u. Kompetenzen. Es macht einen immensen Unterschied aus, ob ich z. B. Abraham als Vorbild für den Glauben nehme (evangelisch) oder als Vorbild für absoluten Gehorsam (kath.). Also ich werde mich gegen solche faulen ökumenische Konzepte wehren. Dann lieber den RU wieder in die Gemeinden verlegen und außerhalb der Schule.