Weniger Häuptlinge für noch weniger Indianer: Die ELKB will bis zum Jahr 2030 aus sechs Kirchenkreisen vier und aus 66 Dekanatsbezirken noch 44 machen –
weitere Fusionen nicht ausgeschlossen. Was schon länger in Leitungskreisen diskutiert wird, soll nun sukzessive in die Tat umgesetzt werden, wie seit Monatsbeginn bekannt ist.

Immer mehr Menschen kehren der Kirche den Rücken

Dass Leitungspersonal abgebaut wird, ist eine logische Konsequenz, kehren doch immer mehr Menschen der Kirche den Rücken. Waren das ab den 2010er-Jahren im Schnitt 20.000 pro Jahr, folgte mit Missbrauchsskandal und Coronapandemie ein harter Knick – 2021 waren es 36 580, das Jahr drauf sogar 48 542 Aussteiger. Einige gingen aus Enttäuschung über das Verhalten der Kirchen im Lockdown. Andere überprüften einfach, was sie für sich noch brauchen – oder was wegkann. Und wieder andere wollten sich die Kirchensteuer sparen.

Im Zuge dieser Bewegungen werden die Menschen in den Dekanaten kreativ. Schon seit vielen Jahren befindet man sich beispielsweise in Forchheim und Gräfenberg sogar kirchenkreisübergreifend in einem Zusammenlegungsprozess. Mit Nördlingen, Oettingen und Donauwörth haben sich im Donau-Ries gleich drei Dekanate in einem langen Prozess auf den Weg gemacht, ein gemeinsames zu bilden. Anders an der Grenze zwischen Unter- und Mittelfranken, wo am ersten Sonntag im März die meisten Kirchenbesucher von einer Kanzelabkündigung überrascht wurden, nachdem sich die Dekane von Markt Einersheim und Castell entschlossen hätten, einen Fusionsprozess anzustoßen.

Kirche gelebt wird aber nach wie vor von unten her

Grund zum Trübsal blasen? Nein, geschieht doch derzeit im Größeren nichts anderes als schon lange im Kleineren mit Kirchengemeinden, die sich in Pfarreien zusammenfinden (müssen). Und dabei feststellen, dass die Nachbarn, die man bisher nur mal freundlich begrüßt oder auch mal argwöhnisch beäugt hat, doch mit demselben Wasser kochen wie man selbst. Und vor allem aus demselben Antrieb ihre Freizeit in Kirchenvorständen, Posaunenchören oder KiGo-Teams gerne opfern.

Diese Menschen sind immer noch da, auch wenn sie sich jetzt einen Oberhirten mit anderen teilen. Kirche gelebt wird aber nach wie vor von unten her. Es gibt viele Beispiele, wo sich aus solchen Hochzeiten ungeahnte Dynamiken entwickeln. 

Dass Kirche kleiner wird, ist keine gute Nachricht, die schöngeredet werden soll. Aber die, die sich dafür entschieden haben, ihr die Stange zu halten, sollten die Chance wahrnehmen, sie weiter miteinander zu gestalten. Das geht sogar ohne Häuptlinge.

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