Der Duft von Zimt, Nelken und Kardamom stieg Ernst Emmerich in die Nase, als er am 1. Advent 1914 einen von der Deutschen Reichspost beförderten Feldpost-Brief öffnete. Die Eltern hatten dem jungen Soldaten "Studentenkäppchen" - ein traditionelles Weihnachtsgebäck - an die Front nach Russland geschickt. Möglich wurde das durch eine postalische Neuerfindung:

Die Einführung des Feldpost-Päckchens bis 550 Gramm. Für den 24-Jährigen aus Suhl und seine Kameraden waren die kleinen Warensendungen ein Lichtblick inmitten der Tristesse auf dem Schlachtfeld. "Die paar kleinen Dingerchen hatten gar viel zu erzählen mit ihrem heimatlichen Weihnachtsgeschmack", bedankte sich Emmerich bei seinen Eltern für die Plätzchen. "Es war ein Traum aus einer besseren Welt."

Doch auch nach dem Krieg wollten die Deutschen nicht mehr auf die kleinen Päckchen verzichten. Der erste Reichspostminister der Weimarer Republik, Johannes Giesberts von der Zentrumspartei, ordnete deshalb am 21. Dezember 1919 ihre Einführung als Dienstleistung für die gesamte Bevölkerung an. Die Päckchen durften bis zu einem Kilogramm schwer sowie maximal 25 x 15 x 10 Zentimeter groß sein. Ab dem 1. Januar 2020 wurden die ersten kleinen Päckchen befördert. Größere Pakete hatte es schon vorher gegeben.

Geschichte der Päckchen

Dabei hatte die Deutsche Reichspost eigentlich gar nicht mit dem dauerhaften Erfolg der für die Feldpost ersonnenen Dienstleistung gerechnet. Zu Beginn des Krieges seien zunächst nur bestimmte "Päckchenwochen" eingeführt worden, sagt Veit Didczuneit vom Museum für Kommunikation in Berlin. "Versuchsweise hatte man ausprobieren wollen, wie viel Bedarf da ist und ob man das alles überhaupt schafft." Das Modellprojekt sei dann nach und nach ausgeweitet worden.

"Man hatte das natürlich zu Propagandazwecken eingeführt und zur Aufrechterhaltung der Moral bei den Soldaten", sagt der Historiker Ralf Rossmeissl vom Fränkischen Freilandmuseum Bad Windsheim, der sich mit der Feldpost im Ersten Weltkrieg beschäftigt hat. Funktioniert habe das, weil die Post im Kaiserreich sehr fortschrittlich und gut organisiert gewesen sei. "Da kam der Kuchen von der Mutter tatsächlich noch an der vordersten Front an." Und so wurde das Päckchenpacken im Ersten Weltkrieg populär.

"Oft wurden die Päckchen-Sendungen an Soldaten auch von Privatinitiativen organisiert", berichtet Rossmeissl. So starteten etwa Feuerwehren, Bürgermeister oder auch Handwerksbetriebe Sammelaktionen, um die Soldaten mit sogenannten "Liebesgaben" zu unterstützen. Besonders beliebt seien Lebensmittel wie Wurst oder Gebäck gewesen. Häufig wurden auch warme Wollsocken, Handschuhe oder Tabakwaren an die Front geschickt.

Auch nach dem Krieg blieb das Päckchen beliebt. Denn es bot die Möglichkeit, kleinere Waren kostengünstiger zu verschicken. Pakete und Frachtgutsendungen hatte es bereits vor dem Krieg gegeben. "Doch da musste man mehr bezahlen für Dinge, die man in einer kleineren Form auch hätte günstiger verschicken können", sagt Post-Historiker Didczuneit.

Päckchen kostete vor 100 Jahren noch 60 Pfennig

Bei seiner Einführung vor 100 Jahren kostete das Päckchen 60 Pfennig Porto. Ein Paket war mindestens doppelt so teuer, je nach Gewicht und Entfernung konnte der Preis auch noch deutlich höher werden. Für Geschäftskunden war es besonders praktisch, dass das Päckchen auch als Rolle von maximal 30 Zentimetern Länge und 15 Zentimetern Durchmesser verschickt werden durfte. Nun konnten etwa Akten oder Dokumente kostengünstig versendet werden.

Ein großer Vorteil gegenüber dem Paket war auch, dass die kleinen Päckchen schneller beim Adressaten ankamen. Denn sie wurden mit der Briefpost ausgetragen. "Damit das möglich war, hatte es eben diese kleinen Formate", erklärt Didczuneit.

Wie sich die Menge der neu eingeführten Päckchensendungen entwickelte, ist nicht lückenlos erforscht. Das Aufkommen sei in jedem Fall stark von der wirtschaftlichen Lage abhängig gewesen, sagt Didczuneit. Nach einem Tief während der Weltwirtschaftskrise seien die Zahlen in den 30er Jahren wieder nach oben gegangen. Damals seien rund 100 Millionen Päckchen pro Jahr versandt worden.

Im Zweiten Weltkrieg stieg ihre Zahl wegen der vielen Feldpost-Sendungen sprunghaft an.

Die Post geriet durch das hohe Aufkommen und die kriegsbedingte Personalknappheit in den Postämtern an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit. Gelöst wurde das Problem durch die Einführung von nummerierten "Päckchenleitgebieten" - den Vorgängern der heutigen Postleitzahlen.

Auch 100 Jahre nach seiner Einführung ist das Päckchen nicht aus der Mode gekommen. Moderner geworden ist aber die Logistik. In den 90er Jahren begann die Deutsche Post DHL mit dem Bau riesiger Paketzentren. In dem erst im November in Betrieb gegangenen neuesten DHL-Paketzentrum in Bochum werden pro Stunde bis zu 50.000 Päckchen und Pakete sortiert.

Das ist auch notwendig, denn durch den Aufschwung des Online-Handels hat sich die Zahl der Warensendungen enorm erhöht. Die Beförderung von Paketen und Päckchen insgesamt verdoppelte sich bei DHL innerhalb der vergangenen zehn Jahre annähernd auf rund 1,5 Milliarden. Wie viele davon Päckchen waren, ist nicht erfasst. Fest steht aber wohl, dass die Karriere des Päckchens auch nach 100 Jahren noch lange nicht vorbei sein dürfte.