Man fühlt sich ein bisschen an den Filmhelden "Forrest Gump" erinnert, der mehr oder weniger zufällig immer mit dabei war, wenn irgendwo auf der Welt etwas Großes passiert ist. Rummelsberger waren zugegen, als zur Kolonialzeit unter Kaiser Wilhelm II. im chinesischen Tungkun ein deutsches Missionsspital aufgebaut wurde. Das Waldhorn von Missionsarzt Gottlieb Olp, der seinen Ruhestand bis zu seinem Tod 1950 in Rummelsberg verbrachte, zeugt noch aus dieser Zeit, ebenso wie Fotografien, die China vor rund 100 Jahren zeigen.

"Ich war von Anfang an beeindruckt, wie weit verzweigt die Rummelsberger Diakonie ist und war", beschreibt Historiker und Ausstellungsleiter Thomas Greif seine Recherchen.

Die von ihm erarbeitete Schau erzählt praktisch die deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts und stellt 21 Personen heraus, die eng mit den Rummelsbergern verwoben sind und in unterschiedlichsten Funktionen zu Gewährsleuten der letzten 100 Jahre geworden sind. Darunter Karl Nicol, Rummelsberger Rektor ab 1919, der 1947 an der Gründung des Lutherischen Weltbunds beteiligt war, der Soldat und Diakon Johann Hilpert, dessen Feldpostbriefe aus Verdun gezeigt werden, oder auch der ehemalige Rektor Karl-Heinz Neukamm, der Willy Brandt 1970 auf seiner Warschau-Reise begleitete.

INFO

Die Ausstellung läuft bis 25. Februar 2018. Das Buch "Kaiser, Kanzler, Rummelsberger" von Thomas Greif ist 2017 im Kunstverlag Josef Fink erschienen. Es ist für 25 Euro im Buchhandel erhältlich.

Internet: www.zu-gast-in-rummelsberg.de

Der "Henker von Buchenwald" bekam keinen Fernseher

Allerdings werden auch Personen porträtiert, auf die man nicht so stolz in Rummelsberg ist. Schwer zu ertragen sind die Berichte über die Taten Martin Sommers. Als "Henker von Buchenwald" tötete er in dem gleichnamigen Konzentrationslager auf bestialische Weise unzählige Menschen. Die Ausstellung erspart den Besuchern nicht die Details. Greif: "Sommer war ein  Sadist durch und durch."

Nach dem Krieg wurde dem SS-Mann zwar der Prozess gemacht, als "Kriegsversehrter" wurde er 1973 aber als nicht mehr haftfähig entlassen. Bis zu seinem Tod 1988 lebte er im Stephanusheim in Rummelsberg, wo er sich in einem Brief beschwerte, es sei "höchst grausam", ihm keinen Fernseher zu gewähren. Auch all das gehöre eben zur Geschichte der Rummelsberger, sagt Greif.

Die Ausstellung ist aber auch eine Leistungsschau der Einrichtungen der Rummelsberger Diakonie: Vitrinen wurden in den eigenen Schreinereien gefertigt, ein Diakon nahm Videos mit Zeitzeugen auf. Darunter Schwester Gertrud Hampel, eine der ersten Diakonissen überhaupt.

Apropos Frauen und Rummelsberg: Eine Fußnote ist Renate Weiß gewidmet, die 1975 als erste Frau in Rummelsberg eine Dia­konenausbildung absolvierte – zu einer Zeit, als es noch keine Dia­koninnen gab. Im Jahr darauf beschlossen die Rummelsberger förmlich, keine Frauen zuzulassen. Dennoch durfte Renate Weiß als weiblicher Diakon arbeiten. Nur nicht so heißen. Sie firmierte als "Gemeindehelferin" und "Kirchenangestellte". 1982 wurde dann das Diakoninnenamt eingerichtet.

Vier Videowände und drei Audio-Stationen lockern die ohnehin kurzweilige Geschichtsstunde zusätzlich auf. Für die Schau wurde das ehemalige Werkstättenhaus hergerichtet, in dem derzeit das Archiv der Rummelsberger entsteht.

Farbkolorierte Postkarte des Missionshospitals in Tungkun (China), das der Rummelsberger Diakon Johannes Baumann nach Plänen des Nürnberger Klinikums um 1905 errichtete.
Farbkolorierte Postkarte des Missionshospitals in Tungkun (China), das der Rummelsberger Diakon Johannes Baumann nach Plänen des Nürnberger Klinikums um 1905 errichtete.
Das Hochzeitsbild des späteren Rummelsberger Rektorenehepaars Karl und Marie Nicol aus dem Jahr 1913.
Als Bayern noch ein Königreich war: das Hochzeitsbild des späteren Rummelsberger Rektorenehepaars Karl und Marie Nicol aus dem Jahr 1913.
Das Rummelsberger Rektorenehepaar Karl und Marie Nicol um 1950.
Das Rummelsberger Rektorenehepaar Karl und Marie Nicol um 1950.
Ministerpräsident Franz Josef Strauß gab sich die Ehre: Einweihung des Rummelsberger Krankenhauses (Wichernhaus) 1979, rechts der damals international bekannte Orthopäde Professor Heinz Wagner.
Ministerpräsident Franz Josef Strauß gab sich die Ehre: Einweihung des Rummelsberger Krankenhauses (Wichernhaus) 1979, rechts der damals international bekannte Orthopäde Professor Heinz Wagner.
Rummelsbergs Museumsdirektor und Haushistoriker Thomas Greif mit einem Waldhorn aus der Rummelsberger Sammlung
Einer der ersten Rummelsberger hat vor rund 100 Jahren sein Waldhorn hinterlassen. Rummelsbergs Haushistoriker Thomas Greif ist als Organist auch für die Kirchenmusik zuständig.
Rummelsbergs Museumsdirektor und Haushistoriker Thomas Greif in der Rummelsberger Philippuskirche.
Das Plakat zur Ausstellung »Kaiser, Kanzler, Rummelsberg«. Museumsdirektor Thomas Greif in der Rummelsberger Philippuskirche.