Andreas Rebers tritt am 31. Juli 2023 um 18 Uhr beim Würzburger Hafensommer auf. Wir haben mit ihm über Kirche, Kabarett und Kompositionen gesprochen.
Herr Rebers, Sie sind gebürtiger Niedersachse und wohnen ja seit vielen Jahren in München. Aber leben Sie auch dort?
Andreas Rebers: Ich sage immer "Bayern – Ja, München – Nein". Sobald ich kann, bin ich draußen, in den Bergen. In München habe ich schon früh kein Geld verdient, obwohl ich bei der Lach- und Schießgesellschaft war. Ich werde auch nicht als Münchener Künstler wahrgenommen und spiele nur noch selten in München. Die Münchner Gesellschaft besteht aus einer selbstreferenziellen Szene, in der ich mich nie sonderlich wohlgefühlt habe. Vielleicht passe ich nicht dazu. Hier teilt sich meine Wahrnehmung mit der von Lion Feuchtwanger. In München hat nicht der Oberbürgermeister das Sagen, sondern der Wirt, der an seinem Stammtisch die richtigen Personen zusammenbringt. Aber ich befinde mich dennoch in bester Gesellschaft. Als ich vor einigen Jahren den Hildebrandt-Preis erhalten habe, war beispielsweise Gerhard Polt mein Laudator.
… der ebenso wie Sie mit Mitgliedern der musikalischen und äußerst vielköpfigen Well-Familie auftritt, wie Sie am 31. Juli in Würzburg beim Hafensommer. Wie kams?
Das kommt aus einer langen Verbundenheit und Freundschaft zum "Well Clan". Ich bin schon mit den "Wellküren" aufgetreten, mit den Well Buam und Gerhard Polt. Jetzt eben mit der jüngeren Formation "nouWell cousines". Wir machen klassisches Kabarett mit Wort und Musik, da freue ich mich drauf.
Sie haben einigen Ihrer Programme Titel mit religiöser Konnotation gegeben, wie "Amen" oder "Die Bergpredigt". Eine Spielerei, oder hat das eine tiefere Bedeutung?
Das kommt von meiner Bühnenfigur "Reverend Rebers", der Hausmeister des Herrn und Blockwart Gottes. Ich selbst bin kein nicht-gläubiger Mensch, möchte aber nichts mit dem spirituellen Koma unserer Gesellschaft zu tun haben, für das ich im Wesentlichen die katholische Kirche verantwortlich mache. Allerdings bin ich auch kein Freund von grüner Ersatzreligion.
Welche persönlichen Erfahrungen haben Sie denn mit Kirche geprägt?
Ein Freund von mir wollte nach dem Abitur Priester werden und überredete mich Ende der 1970er-Jahre, mit ihm an einem zweiwöchigen Projekt "Mönch auf Zeit" teilzunehmen, das die Abtei Münsterschwarzach anbot. Bereits am ersten Tag kam es zu sexuellen Übergriffen auf uns. Und zwar nicht von Ordensbrüdern, sondern von anderen Gästen. Zwei katholische Priester hatten sich mit angemeldet, um quasi auf die Jagd nach Frischfleisch zu gehen. Als mir einer von den Beiden zwischen die Beine fasste, habe ich ihm eine aufgeschmiert. Danach bin ich zu meinem Kumpel, der mich verdutzt anguckte und fragte "Ach, du auch?".
Was ist dann passiert?
Es gab ein klärendes Gespräch mit Vater Abt und ein paar Mönchen über diesen Vorfall. Es war ein sehr offenes Gespräch über Homosexualität in der Kirche. Die übergriffigen Priester haben Hausverbot erhalten. Man hat uns dann gebeten über das, was in diesen Mauern passierte, nichts nach draußen kommen zu lassen. Das ist jetzt aber über 40 Jahre her, und mittlerweile ist mir das egal. Meines Wissens ist etwas Ähnliches danach nicht mehr vorgekommen. Ich war damals ein kräftiger junger Mann mit Anfang 20. Ein Ministrant hat in solchen Situationen keine Chance.
Sie sind dann aber trotzdem immer wieder zu Seminaren nach Münsterschwarzach gefahren.
Ja, vor allem auch während meines Studiums des technischen Werkens. Dort konnte man die technischen Verbindungen von Holz per Hand, also noch ohne Maschinen erlernen, was mich sehr beeindruckte. Ich hatte dort die Ehre, den wohl letzten großen Küfermeister Deutschlands kennen zu lernen. Ein Mann mit Mitte 80, der Fässer für Wein oder Bier noch mit Augenmaß schaffte. Ich habe mich danach auch immer wieder mit Glaubensfragen beschäftigt. Ein guter Freund von mir ist Rabbiner in Frankfurt, der wiederum einen sunnitischen Imam kennt. Wir drei treffen uns zuweilen und erörtern die wichtigen Fragen des Lebens.
Haben diese Erfahrungen dann auch Ihr Kabarett beeinflusst?
Eher weniger, ich komme vom Theater, bin Musiker und Komponist. Mir geht es, um es mit Hans Dieter Hüsch zu sagen, um öffentliches Nachdenken mit unterhaltsamen Mitteln. Für mich ist Kabarett eine Bühnenkunst. Ich gehöre nicht zu den aktivistischen Kabarettisten, die durch das Fernsehen, oder Social Media Reichweite haben. So bin ich neulich ja auch in das Fadenkreuz von Jan Böhmermann geraten, der die Sendung von Dieter Nuhr, in der ich hin und wieder auftrete, parodieren wollte und dabei auch eine Figur auftreten ließ, die wohl an meine Person angelegt war. Zum Abschluss der Sendung trat eine Band auf, die "Es gibt zu viele Nazischweine" sang und damit war dann wohl unter anderen auch ich gemeint. Mich mit Nazis zu vergleichen hat nichts mit Kabarett zu tun, sondern das geht dann schon in Richtung der "Gebührenfinanzierten Hetze". Ich glaube, es gibt wichtigeres.
Was möchten Sie in Ihrem aktuellen Programm vermitteln?
Zum Beispiel der klimabewegten Jugend, die gerne von Leuten wie mir als "alte, weiße Männer" spricht, aufzuzeigen, dass meine Generation andere Probleme hatte. Mein Reverend zitiert dabei mit Ironie auch aus der Bibel. Dort steht "Mache dir die Welt Untertan" – aber von Heile lassen hat Gott nichts gesagt. An sich geht es mit aber immer dabei, an die Vernunft zu appellieren. gerade bei politischen Themen. Ich bin bei Politikern auch eher personenaffin, als Parteigänger.
Zum Beispiel?
Ich mache ja Kabarett der radikalen Mitte. Zum Beispiel bin ich, gegen Kompromisslosigkeit. Dazu passt auch, dass ich den Thüringer Ministerpräsidenten Bodo Ramelow sehr schätze, der im Übrigen ein betender Mensch und überzeugter Christ ist, gerade in den Werten, die er vermittelt. Eben hat die CDU in Thüringen anklingen lassen, dass sie sich nach den Landtagswahlen im Oktober auch eine Koalition mit der Linken vorstellen könnte. So etwas finde ich großartig, wenn sachlich miteinander argumentiert wird. Es gibt in allen Parteien Leute, die einfach eine gute Arbeit machen. Diese Schreierei, in die manche Politiker manchmal fallen, finde ich unerträglich und gefährlich.
Auch im Kabarett scheint ja der Ton untereinander rauer zu werden, wenn Künstlerinnen und Künstler in politische Lager eingeteilt werden. Empfinden Sie das auch so?
Das wirkt oft sehr aufgesetzt. Leute wie Böhmermann und andere pseudopolitische Comedians sind ja keine Linken, sondern bedienen lediglich ein "linkes" Geschäftsmodell. Da geht es nicht um soziale Verwerfungen, sondern sie setzen sich auf Themen drauf, die relativ sicher sind, wie beispielsweise die Rettung der Welt, oder Frieden. Diese Designer-Kabarettisten haben überhaupt keinen persönlichen Anschluss an politische Verhältnisse. Bei einigen habe ich fast schon den Eindruck, dass sie die Reichsschrifttumskammer*innen tragen. Sie sind intolerant, selbstsüchtig, hochmütig und machen unsere Welt mit ihren Beiträgen keinen Deut besser. Früher haben Kabarettisten wie Dieter Hildebrandt, Bruno Jonas, Gerhard Polt oder Georg Schramm Fernsehen gemacht. Heute macht das Fernsehen Kabarett und bezeichnet es auch noch als Comedy.
Also gibt es doch linkes und rechtes Kabarett?
Diese Frage stellt sich für mich nicht, weil diese Einteilung nicht mehr im früheren Sinne greift. Mir geht es um Macht und Ohnmacht, oben und unten. Meine Kritik an den Grünen wird gerne von Journalisten nach rechts interpretiert, weil man außer Acht lässt, dass die "Grünen" jetzt oben sind und damit in das Beutemuster des Kabaretts gehören. Vor der Kamera die Politik der Grünen oder der SPD nachzuplappern, wird im Fernsehen gern genommen, ist aber künstlerisch und inhaltlich uninteressant. Der Werner Schneyder sagte zu mir 1996: "Eine Spaltung im Kabarett hat es immer gegeben. In die, die es können und die, die es nicht können."
Gibt es jemanden, den Sie nicht gerne in Ihren Vorstellungen sehen wollen?
Keineswegs. In einem Theater sind alle Leute willkommen. Neulich gab es nach einer Vorstellung eine Riesenaufregung, weil da ein führender AfD-Politiker drin gesessen hat. Ich hab dem Veranstalter dann gesagt, dass ich ihn doch nicht eingeladen habe und er ihm die Eintrittskarte verkauft hat. Ich rede erst einmal mit jedem und habe aber kein Problem damit, mich in der Nähe dann abzugrenzen. Man muss den Menschen auch zuhören und sich in sie hineinversetzen. Nehmen Sie das Land Sachsen-Anhalt, da liegt jede zweite Rente unterhalb der Armutsgrenze. Und dann kommen Leute wie Ricarda Lang und sagen denen, dass sie übrigens auch die falschen Heizungen im Keller haben. Was glauben Sie denn, wen diese Leute wählen? Und da wären wir wieder bei Ramelow: Der hat nach der Wahl des Sonneberger Landrats behutsam darauf hingewiesen, dass dies kein politisches, sondern ein ordnungspolitisches Amt sei.
Was fällt Ihnen denn am aktuellen Regierungspersonal besonders auf?
Ich achte immer gerne auf deren Wortwahl. Als Robert Habeck kürzlich ankündigte, für seinen Staatssekretär Graichen und dessen Schwager einen Nachfolger gefunden zu haben. Er meinte: "Dieser würde die Sache mit frischem Blick neu durchdenken." Na, da bin ich ja mal gespannt. Die Auftritte von Frau Baerbock sprechen ja eh für sich. Es war schon immer so, dass Außenpolitik im Wirtschaftsministerium und im Kanzleramt gemacht wurde. Die Außenministerin ist ebenso wie ihr Vorgänger lediglich dazu da, bella figura zu machen. Die Zustimmung, die Frau Baerbock für ihre Auftritte in China, oder Lateinamerika bekommt, beruht ja darauf, dass sie Texte spricht, die dann in der Süddeutschen zitiert und im Heute Journal gezeigt werden. Eigentlich ist Frau Baerbock ein gutes Beispiel für das langsam wieder erstarkende deutsche Selbstbewusstsein und das neue gesunde deutsche Volksempfinden. Völkisch wäre noch zu früh. Vielleicht sagen wir es so: Wir sind nicht weit gekommen, aber wir haben es weit gebracht – vom Herrenmenschen zum Moralweltmeister.
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