Die Düsseldorfer Punkrocker und die oberbayerischen Satiriker – wie passt das zusammen? Sehr gut, und das schon seit rund 40 Jahren. Ende der 1980er trafen die Toten Hosen und die Biermösl Blosn, damals mit dem mittlerweile ausgeschiedenen Hans Well bei einem Konzert in Burglengenfeld gegen die Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf zusammen.

Ein Kulturschock für die beiden ungewöhnlichen Formationen, die jedoch sehr schnell merkten, dass sie beide ein anarchistischer Ansatz verbindet. Und: Die Musiker waren auch noch in etwa gleich alt. In den folgenden Jahren tauschte man sich musikalisch auf den Veröffentlichungen immer wieder aus. Mit im Gepäck bald auch der noch einmal rund 20 Jahre ältere Satiriker Gerhard Polt.

Vor wenigen Monaten überraschte dieses Trio mit der Ansage, unter dem Titel "Forever" eine gemeinsame Tour zu spielen, für das ein eigenes Programm erarbeitet wurde. Für das Konzert am Brombachsee waren die 2500 erhältlichen Tickets in nur fünf Minuten ausverkauft, wie man beim örtlichen Veranstalter, dem Concertbüro Franken erklärte.

Die Besucherinnen und Besucher, vorwiegend Hosen-Fans, sollten bei einem rund zweistündigen Auftritt voll auf ihre Kosten kommen, dessen Rezept in etwa so aussah: Man nehme einige alte Hosen-Kracher wie "Liebeslied" oder "Laune der Natur", lasse die Stromgitarren zu Hause und mixe das akustische Ergebnis mit dem Instrumentarium der drei Well-Brüder mit Michael, "Stofferl" und Karli an Tuba, Trompete oder Harfe.

Das Ganze funktioniert aber auch umgekehrt, wenn die Hosen bei den Gstanzerln ihres bayerischen Pendants einsteigen und auch selbst zu außergewöhnlichen Instrumenten greifen – zumindest für die Düsseldorfer: Denn wenn die Gitarristen Michael Breitkopf und Andreas Meurer zu Hackbrett und Zither greifen, dann kommt das eben nicht alle Tage vor. Sänger Campino an der Trompete? Ein ebenso verstörender Anblick. Doch wie der Hosen-Frontmann in einer kurz nach dem ersten Konzert der Tour am Schliersee entstandenen Kurz-Doku erklärt, habe ihn seine Mutter als jungen Burschen mehr oder weniger dazu genötigt, das Instrument zu erlernen.

Gerhard Polt mischt auf

Obendrauf setzt sich dann ein Gerhard Polt, der einige seiner älteren Nummern reaktiviert und mit den Hosen als "Düsseldorfer Fahnenjungfern" neu aufmischt. Dazu haut der hünenhafte Grantler zwischendrin immer wieder einen raus, dass es den teils von weither angereisten Hosen-Fans in den Ohren klingelt: Bier trinke man hier nicht wegen Durst, sondern aus Kulturgründen, früher habe man am Kleber noch geschnüffelt statt sich an der Straße festgeklebt, jede Minderheit habe das Recht, sich einer Mehrheit anzuschließen – es sind solche Pointen, die Kenner des schwarzen Polt-Humors die Lachtränen in die Augen treiben und manchen Erstkontaktler den Atem rauben.

Doch insgesamt haben die Musiker und Polt einfach einen riesengroßen Spaß. Zwar holpert die musikalische kulturelle Aneignung hie und da etwas, allein die Hosen beim Synchrontanz zu sehen oder wie sie Mandolinen statt E-Gitarren spielend den Alphaville-Hit "Forever Young" covern, ihr Stück "Wannsee" in "Brombachsee" umtaufen oder miteinander eine Hommage an den Lago Maggiore gröhlen – das schafft einfach ungezwungene Freude. Die Campino – ganz ohne politische Botschaft geht’s eben doch nicht – sogar ein bisschen entschuldigt, angesichts der vielen Krisen und Kriege dieser Tage. "Wir wollen all dem ein großes Trotzdem entgegenbringen", ruft er am Ende der Show in die Menge, nachdem ein Auftritt an meterlangen Alphörnern auch die letzten Zweifler versöhnt hat.

Entspannte Atmosphäre am Brombachsee
Entspannte Atmosphäre am Brombachsee bei der elften Ausgabe von "Lieder am See".

"Lieder am See" mit Uriah Heep, Sweet, Nazareth, Jethro Tull, Wolfgang Ambros und Beth Hart

Die elfte Ausgabe von "Lieder am See" wurde tags darauf dann wieder zum Stelldichein der Classic-Rock-Fans und –bands. Wie schon am Freitag war die Atmosphäre am Brombachsee beim vom Nürnberger Concertbüro Franken organisiertem Festival tiefenentspannt, was sicherlich auch am hohen Altersdurchschnitt der Besucherinnen und Besucher lag, die sich nicht so leicht mehr aus der Ruhe bringen lassen wollen.

Nachdem "The Sweet" noch im Stau steckten, gingen "Nazareth" als erstes auf die Bühne. Die schottische Hardrockband hat mit Bassist Pete Agnew noch wenigstens ein Gründungsmitglied in ihren Reihen, das 1968 den Aufschlag zu einer Weltkarriere machte. Die großen Hits wie "This flight tonight" oder "Dream on" wurden abgefeiert – wohl auch, weil mit Sänger Carl Sentance seit 2015 ein junger Frontmann am Mikro steht, der das Timbre von Originalsänger Dan McCafferty (in diesem Jahr verstorben) drauf hat. Als "Sweet" dann endlich ihren Hitreigen mit Glamrock-Klassikern wie "Ballroom Blitz" zündeten, war es ebenfalls der noch recht neue Sänger Paul Manzi, der für Esprit sorgte.

Dass Wolfgang Ambros schon lange auf eine Gehhilfe und einen Stuhl beim Singen angewiesen ist, wissen die Fans schon lange. Dass der Austropop-Erfinder, der sich in seinem bewegten Leben wahrlich nichts schenkte, immer noch auf die Bühne geht, grenzt da schon an ein Wunder. Aber wen kümmerts – Ambros erfreute mit seinem unverwüstlichen Wiener Dialekt und den Klassikern von "Schifoan" bis "Zwickts mi" die Fans.

Für die gab es dann kein Halten mehr, als Ian Anderson mit seinen "Jethro Tull" die Bühne erklomm und bewies, dass die Querflöte ein Rockinstrument ist. Stimmlich ist der Mann schon lange zwar keine Wucht mehr, dafür aber am Instrument immer noch ein Meister. Zwischen "Bouree" oder "Nothing is easy" mischte die Band immer wieder aktuelle Songs und bewies, dass sie noch lange nicht nur von der Reserve lebt. Das gilt ebenso für Uriah Heep, die immer noch neue Alben vorlegen und darauf eingängige Hardrock-Hymnen mit technischer Finesse versammeln.

Wer ist Beth Hart? Diese Frage stellten sich viele der Gäste um die 70, derer es viele bei "Lieder am See" gab und die von der amerikanischen Blues-Röhre noch nichts gehört hatten. Spätestens als die 51-Jährige dann aber auf die Bühne kam und mit ihrer furiosen Band pure Energie verströmte, waren aber auch die letzten Skeptiker versöhnt.

 

Im nächsten Jahr findet "Lieder am See" am 27. Juli statt – bereits am 26. Juli treten dann die Deutschrocker SDP auf.

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