Langsam drehen sich die 24 Gondeln des Riesenrads. Nebenan spielt eine Frau auf einer elektrischen Orgel, ein Ochse am Spieß brät über dem Feuer. Wobei das Riesenrad nur etwas über einen Meter groß ist: Kinder und Erwachsene bewundern den originalgetreuen Nachbau im Maßstab 1:30 bei den Wintermodellbautagen im Technik-Museum Speyer. Mehr als 1.000 Teile hat Modellbauer Konrad Heimsott in rund dreieinhalbmonatiger Arbeit dafür zusammengebaut. Erst vor sechs Jahren hat sich der 75-jährige Pirmasenser einen 3D-Drucker zugelegt, aus dem die einzelnen Teile kommen: "Vier Wochen lang lief der dafür Tag und Nacht."

Ausstellungen vor Weihnachten sind beliebt

Bundesweit veranstalten gerade in der Vorweihnachtszeit etliche Vereine Modellbauausstellungen, viele davon erstmals wieder nach der Corona-Pause. In der Zwischenzeit habe das Hobby neuen Zuspruch gefunden, berichtet Bernhard Werst, Inhaber von "Spielwaren Werst" in Ludwigshafen.

"Lange Zeit konnten die Leute nicht raus, saßen zu Hause und haben sich dann ihres alten Hobbys entsonnen oder eins gesucht für die eigenen vier Wände."

Und es seien nicht nur Rentner, die sich etwa für die Modelleisenbahn begeisterten: "Es kommen auch Kinder mit ihrem Taschengeld an die Theke."

Das bestätigt Horst Neidhard, Vorsitzender der Initiative "Wir Modellbahner" beim Deutschen Verband der Spielwarenindustrie. Das Umsatzniveau der Branche bewege sich aktuell über dem des Vor-Pandemie-Jahres 2019. Allerdings sei nicht immer jede Nachfrage zu bedienen, ergänzt Spielwarenverkäufer Werst. Auch für den Modellbau gelte: Lieferketten sind wegen der Pandemie immer noch lückenhaft. Nicht alles, was Sammler bestellten, sei lieferbar. Vor allem Steuerchips seien ein Knackpunkt, mit denen die Züge angesteuert werden.

Modellbau bietet Entspannung

Der evangelische Dekan Peter Butz aus Zweibrücken bekam als Kleinkind von seinem Opa, "der sich zeitlebens eine Modelleisenbahn gewünscht hat", eine Eisenbahn geschenkt. Bei dem Hobby könne er prima entspannen, sagt der Pfarrer. Er hat die alte Straßenbahn aus dem saarländischen Neunkirchen und die evangelische Christuskirche im Maßstab 1:100 nachgebaut.

Inzwischen ist Butz selbst Opa. Seine Kinder teilten die Modellbahnleidenschaft nicht, sagt er. Interessanterweise fange aber jetzt sein ältester Enkel damit an. Für Horst Neidhard vom Modelleisenbahn-Hersteller Faller ist das nicht ungewöhnlich: Viele Händler registrierten einen Trend zum generationsübergreifenden Spielen, bei dem Großeltern die Enkelkinder in die Welt im Kleinen einführten.

Bernd König von der Modellbaugruppe Sickinger Höhe aus Queidersbach im Landkreis Kaiserslautern hat andere Erfahrungen gemacht. Er kenne kaum noch Jugendliche oder Kinder, die selbst Modelle zusammenbauten, erzählt er: "Denen fehlt die Geduld dazu." Doch noch gibt es genügend Modellbastler, die ihre Ideen auch auf ihren Instagram-Kanälen, bei Facebook und Twitter präsentieren.

Recycling im Diorama

Der 51-jährige Andres Feßner, seit Kindheitstagen begeisterter Modellbauer, hat sich vor rund zehn Jahren auf sogenannte Dioramen spezialisiert. In den Miniaturwelten unter Plexiglaskuppeln fahren keine Autos oder Züge. Dafür sind wie in Wimmelbildern etliche winzige Details in den Aufbauten versteckt, die der ehemalige Lokführer nach eigenen Ideen zusammensetzt. "Scratch-Modellbau" heißt diese Variante.

Feßners Dioramen strotzen außerdem vor zweckentfremdeten Alltagsgegenständen, die maßstabsgetreu eine neue Verwendung bekommen: Aus einem Trinkhalm wird ein rostiges Ofenrohr, für die Rohrklappe hat Feßner einen Kugelschreiber zerlegt. Die Wellpappe eines Dachunterstands war einst ein alter Deckel einer Margarinepackung. Den Kochtopf auf einer Feuerstelle hat er aus der Umhüllung eines Teelichts zurechtgebogen, einen Schürhaken aus einem Stück Aluminiumdraht gedreht. Autosicherungen, Uhrmachermaterial, ja selbst die aufgeschnittene Hülle einer Senftube wird in den Dioramen recycelt.

Zu Weihnachten ist ein Diorama fertig geworden, in dem ein Weihnachtsmann Soldaten besucht. Um die millimetergroßen Christbaumkugeln und Sterne im Maßstab 1:42 an den Weihnachtsbaum zu bekommen, musste Feßner zu feinsten Pinzetten und Wachsstiften greifen. Für sein Hobby hat er sogar Zahnarztbesteck angeschafft. Sein Traum für die Zukunft: ein eigenes kleines Museum.