Der aus Bamberg stammende Benjamin Zuber hat sich mit Schönheitswahn und Selbstinszenierung auseinandergesetzt und zeigt radikal, dass solche oberflächlich ausgelebten Momente nur ins Ende münden: Hier steht eine kunterbunte Mucki-Bude mit der Möglichkeit zum "Pumpen" - am anderen Ende wartet hinter einer Wand ein Leichensack, der sich während der Körperoptimierung stetig aufbläst. Die Münchnerin Stefanie Unruh hat einen prachtvollen Kronleuchter erschaffen, dessen gläsernes Gehänge sich bei näheren Hinsehen als Patronen und Handgranaten entpuppt. Krieg im eigenen Wohnzimmer.

So ließ man sich vom Motto des Kirchentags inspirieren

Die Ausstellung "Momentum" ist auf Initiative des Kunstreferats der evangelischen Landeskirche entstanden und derzeit im Neuen Museum Nürnberg zu sehen. Da war der Nürnberger Kirchentag mit seinem Motto "Jetzt ist die Zeit" und im Referat für Kunst und Inventarisation der Landeskirche entstand die Idee, sich für ein neues Projekt von diesem Impuls inspirieren zu lassen. Da war aber auch schon länger die Idee, einmal gemeinsam mit dem "Neuen Museum" für Kunst und Design in Nürnberg etwas auf die Beine zu stellen.

Erst ein halbes Jahr vor dem Kirchentag wurde es nun aber konkret: "Wir haben uns an Künstlerinnen und Künstler gewandt, die wir größtenteils kannten und gefragt, ob sie auf die Schnelle etwas Neues schaffen können", erinnert sich Helmut Braun, Leiter des Kunstreferats der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern. Er ist mit Thomas Haydn, Janette Witt und Museumsleiterin Simone Schimpf einer der Kuratoren der Schau.

Es ist ein Paradoxon, flüchtigen Momenten Gestalt zu geben und sie somit zu "entflüchtigen". "Die Aufgabe war es aber genau, den Moment festzuhalten, der bewegt und letztlich zum Handeln auffordert", sagt Braun. Der inhaltliche Kern der Ausstellung sei, sich in Bewegung zu setzen.

Eine Frau schaut in einem dunklen Raum hinauf zu einem leuchtenden Kronleuchter.
Die Münchnerin Stefanie Unruh hat einen prachtvollen Kronleuchter erschaffen, dessen gläsernes Gehänge sich bei näherem Hinsehen als Patronen und Handgranaten entpuppt.

Breite Palette an Kunstwerken 

Braun verweist auf die Bergpredigt, in der Jesus genau das tue - beispielsweise zur Feindesliebe, aber auch zur Nächstenliebe ruft und die Menschen ermutigt, nicht zu verharren. Simone Schimpf freut sich, auf einer Ebene des Museums in Installation, Malerei, Bildhauerei oder audio-visueller Gestaltung eine ganz breite Palette der Kunst vorzustellen, und das auch noch mit Werken, die eigens für die Schau entstanden sind.

"Wir zeigen, was in der modernen Kunst des Jahres 2023 gerade in sämtlichen Sparten möglich ist", so die Kunsthistorikerin.

Mittendrin in der Ausstellungshalle ein bequemes, schwarzes Sitzmöbel, das die Umrisse des Klarissenplatzes vor dem Museum nachzeichnet. Wer sich auf der von der Nürnbergerin Angelika Huber geschaffenen Sitzgelegenheit niederlässt, hinterlässt auf dem thermoaktiven Polyurethan-Leder Spuren, die bald wieder verschwinden. Reflexionsmomente, die in Kunst festgehalten wurden.

Von Flucht, Gewalt und Verlust

Während der Ausstellungsdauer im Wachsen befindet sich Sebastian Jungs "Katastrophenzimmer". In der Mitte eine Skulptur des Künstlers als Selbstbildnis, drumherum Bilder von Fluchtsituationen, Gewalt, Klimaereignissen, Ständer mit Kabelsalat oder Müll, von dem man sich nicht trennen will. Ein Chaos, das sich im Kopf des in Leipzig lebenden Künstlers abspielt und stetig erweitert wird. Wie auf einem Berg, auf dessen Gipfel man den Moment der Klarheit erlebt, fühlt es sich an, wenn man die Aluminium-Leiter erklimmt, die Manuela Hartel (München) an ihre audio-visuelle Rauminstallation "God orchestrated Happening" gestellt hat. Bedrohlich wirken dagegen die Ölfässer von Florian Tuercke (Nürnberg), aus denen Walgesänge schallen.

Es sind vorwiegend düstere Augenblicke, die von den zwölf Beteiligten künstlerisch umgesetzt wurden. Oft geht es um Natur und Verlust, um Angst und Gewalt. Für Helmut Braun auch ein Zeichen, dass gerade kreative Menschen die Gegenwart als bedrohlich und dystopisch erleben. In allem schwinge aber trotzdem die Hoffnung mit.

"Momentum ist auch ein Aufruf, seinem Leben einen Sinn zu geben."

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