Barbara Donaubauer ist Fotografin und Kulturwissenschaftlerin. Sie engagiert sich seit vielen Jahren ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe – und zeigt bis Ende März eine Ausstellung über ukrainische Geflüchtete im Münchner Kreisverwaltungsreferat. Im Sonntagsblatt-Interview erzählt sie, warum sie diese Porträtserie gemacht hat.

Wie entstand die Idee zu der Ausstellung über Geflüchtete aus der Ukraine?

Barbara Donaubauer: Ich arbeite seit sieben Jahren neben meiner beruflichen Tätigkeit als Fotografin und Kulturwissenschaftlerin ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe München. In diesem Rahmen habe ich 2018 eine Ausstellung gemacht mit Geflüchteten aus einer Unterkunft und diese Fotos in der Schwabinger Seidlvilla und im Münchenstift gezeigt. Als dann am 24. Februar der Angriffskrieg auf die Ukraine begann, dachte ich, da muss ich helfen und habe mich wieder ehrenamtlich engagiert.

"In unserer Gesellschaft erfahren wir häufig nur über die Medien von Geflüchteten und sehen ein paar Bilder."

Sie wollen mit den Fotos den Menschen die Möglichkeit geben, sich zu zeigen. Warum?

In unserer Gesellschaft erfahren wir häufig nur über die Medien von Geflüchteten und sehen ein paar Bilder, wissen aber eigentlich nicht viel über diese Menschen. Wer ist da jetzt neben uns eingezogen? Wie leben die Geflüchteten in unserer Stadtgesellschaft? Ich möchte diesen geflüchteten Menschen helfen, sich in unserer Stadtgesellschaft zu verorten und zu zeigen, wer das ist.

Was erzählen die ukrainischen Geflüchteten bei diesen Fotosessions?

Für die jetzige Ausstellung über Geflüchtete aus der Ukraine habe ich rund 30 Frauen, einige Kinder und zwei Männer porträtiert. Den Kontakt habe ich über Chatgruppen gefunden, über die sich die Geflüchteten hier organisieren. Für die Fotos setze ich mich immer etwa eine Stunde mit ihnen zusammen, oft kommunizieren wir über Google-Translate. Oft erzählen sie mir, wie sie nach München gekommen sind, warum sie überhaupt geflohen sind und wen sie zurückgelassen haben, das sind fast immer die Ehemänner und Söhne. Viele sind auch sehr dankbar und erzählen davon, wie sie aufgenommen wurden und wie sie es schätzen, hier in Ruhe und in Frieden leben können. Und dann frage ich die Geflüchteten immer, ob es einen wichtigen Ort gibt in München, an dem ich sie fotografieren soll, und dann gehen wir dorthin. In der Ausstellung füge ich dann einen Auszug dieses Gesprächs dem Bild bei.

Eine Frau ist mit ihrer Mutter und dem zwölfjährigen Sohn aus Tschernihow geflohen, das ist ganz Nahe an der Grenze zu Weißrussland, wo ab Tag eins geschossen wurde. Die Familie hat einen Monat lang im Keller gelebt, die Frau erzählte, sie seien gar nicht mehr rausgegangen und hätten nur noch ausgesehen wie Zombies. Sie hatten keinen Strom mehr, wenig zu essen und haben einfach nur versucht, zu überleben. Zufällig fanden sie ein altes Handy mit brauchbarem Akku, und als sie ihre Simkarte dort reingesteckt hat, klingelt es, und eine alte Schulfreundin ist am Apparat. Die Familie ist über die Felder aus der Stadt geflohen und wurde von der Schulfreundin rausgeholt und über Polen nach Deutschland gebracht.

"Die meisten porträtierten Menschen freut es einfach, dass ihre Geschichte dokumentiert und damit auch nicht vergessen wird."

Welche Rückmeldungen gibt es zur Ausstellung?

Die Ausstellung wird derzeit im Kreisverwaltungsreferat München gezeigt, und viele Geflüchteten sind zur Eröffnung dorthin gekommen. Das KVR ist für die meisten Geflüchteten ein sehr wichtiger Ort, weil sie dort ihre vorläufige Aufenthaltsgenehmigung bekommen oder Anträge stellen. Und die meisten porträtierten Menschen freut es einfach, dass ihre Geschichte dokumentiert und damit auch nicht vergessen wird. Ich bekomme auch Anfragen von Menschen, die sich gerne porträtieren lassen würden, aber das Projekt ist jetzt abgeschlossen, denn ich plane gerade eine neue Aktion im Stadtmuseum zum Thema.

Worum geht es dort?

Ich werde im März an vier Tagen ein Fotostudio in der Galerie Einwand des Münchner Stadtmuseums aufbauen und lade alle Geflüchteten Münchens ein, sich dort fotografieren zu lassen, sich zu treffen und miteinander ins Gespräch zu kommen. Wenn sie möchten, sollen sie dort auch ihre Geschichten aufschreiben. Und dann zeigen wir wieder Bilder und Texte. Die Eröffnung ist dort am 30. März um 19 Uhr.

Frauen aus der Ukraine
Frauen aus der Ukraine
Frauen aus der Ukraine
Frauen aus der Ukraine
Frauen aus der Ukraine
Frauen aus der Ukraine
Frauen aus der Ukraine
Frauen aus der Ukraine

Ausstellung "Frauen aus der Ukraine"

Das Fotoprojekt "Familien aus der Ukraine" hat die in Deutschland angekommenen Ukrainer*innen zum Thema. Wer sind sie, die Ukrainer*innen in Deutschland, die hierher aufgrund des russischen Angriffskrieges aus ihrem Heimatland geflohen sind? Welche Gedanken beschäftigen sie?

Die Ausstellung ist bis Ende März 2023 in der KVR Galerie, Ruppertstraße 11 in München, werktags von 9.00 – 16.00 Uhr, zu sehen.

 

Fotoaktion im Stadtmuseum München

  • Am 14. März von 16 bis 20 Uhr
  • Am 17. März von 16 bis 20 Uhr
  • Am 21. März von 16 bis 20 Uhr
  • Am 24. März von 16 bis 20 Uhr.

Vernissage der Ausstellung am 30. März um 19 Uhr.
Galerie Einwand, St. Jakobsplatz München.

 

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