Herr Beinßen, Sie beschreiben die letzte Visitation der Gebeine des Heiligen Sebaldus ganz genau, als ob Sie dabei gewesen wären. Sogar eine epd-Redakteurin erwähnen Sie in der Szenerie. Ich war vom Sonntagsblatt dabei, aber keine epd-Kollegin. Wie kommt's?

Jan Beinßen: Das ist freilich Zufall. Ich habe mir erzählen lassen, wie die Untersuchung der Vollständigkeit der Gebeine des Sebaldus abgelaufen ist, so wie ich das immer mache, wenn ich etwas real Geschehenes nacherzähle. Aber natürlich wird immer ein bisschen was dazugedichtet.

" Ich lehne meine Figuren immer an mehrere reale Personen an, auch aus meinem Freundes- oder Verwandtenkreis."

Ihr Sebaldus-Pfarrer Hannes Fink ist auch fiktiv. Es gibt bei den Nürnberger Innenstadtgemeinden den Hannes Schott, aber der hat mit Ihrem Pfarrer nichts zu tun, oder?

Nein. Ich lehne meine Figuren aber immer an mehrere reale Personen an, auch aus meinem Freundes- oder Verwandtenkreis.

Das ganze Setting rund um das sagenumwobene Grab des Sebaldus ist doch eine Steilvorlage für einen Krimiautoren, oder?

Auf jeden Fall! Ich kam auf die Idee in einem Gespräch mit Pfarrer Brons. Da richteten sich die Ohren des Krimiautoren auf.

Sie haben dann noch einen eigenbrötlerischen Verrückten beschrieben, der in einer Wohnung innerhalb der Stadtmauern wohnt und im Keller Leichen versteckt. Da gibt’s hoffentlich kein reales Vorbild in Nürnberg, oder?

Nein, aber ich wollte den Krimi noch um mindestens einen Handlungsstrang erweitern und einen echten Showdown am Ende haben. Daher treffen meine Hauptfigur, der Journalist Paul Flemming, und besagter Mörder dann auch im Untergrund zusammen, nachdem Flemming einen Geheimgang vom Bibelmuseum im Lorenzer Pfarrhof bis zu den Stadtmauern gefunden hat.

Das Bibelmuseum war ja noch gar nicht geöffnet, als Sie Ihr Buch geschrieben haben.

Das stimmt. Aber die Leiterin Astrid Seichter hat mich schon mal reingelassen, als das Museum gerade im Aufbau war.

"Eine Leserin hat mir sogar mal gesagt, der Mord interessiere sie gar nicht."

Ihr Protagonist hat ja auch mit seiner zerrütteten Beziehung zu kämpfen, es gibt noch einige menschelnde Nebenstränge, dazu aber jede Menge Infos über Nürnberg. Wie gehen Sie bei Ihrer Mischung aus Fiktiven und Fakten vor?

Das ist in der Tat immer eine Gratwanderung zwischen dem Vermitteln von Stadtgeschichte, Krimihandlung mit ein bisschen Abenteuer, aber auch das Privatleben von Flemming interessiert die Leserschaft. Die ist bis zu 80 Prozent weiblich und will laut meines Verlags und auch vielen Stimmen, die mich persönlich erreichen, schon wissen, wie es zwischen Paul und seiner Katinka weiter geht. Eine Leserin hat mir sogar mal gesagt, der Mord interessiere sie gar nicht, sie will aber wissen, wie es bei dem Paar weiter geht. Zudem darf es nicht zu viel Geschichtliches geben. Ich wurde auch schon dafür kritisiert, zu schulmeisterhaft zu schreiben.

Sie nehmen Ihre Leser aber ja auch in echt manchmal mit in Ihre Geschichten?

Ja, ich halte Lesungen oder unternehme zusammen mit dem evangelischen Bildungswerk auch immer wieder Tatortführungen zu den Schauplätzen der Romane. Ein Krimi spielt im Dachgebälk der Sebalduskirche, dort oben hab ich auch schon mal eine Lesung gehalten.

Woher kommt Ihre Begeisterung für Nürnberg?

Ich bin Anfang der 1990er-Jahre aus beruflichen Gründen von Hameln hierhergekommen und habe gar nicht verstanden, wie wenig Interesse so mancher meiner neuen Bekannten an Ihrer Heimatstadt zeigten. Dagegen fand ich es hier sofort richtig klasse. Das war dann auch einer der Antriebe für meine Reihe.

"Ich würde mich manchmal gerne zurück ins Mittelalter beamen und zusehen, ob die Nürnberger schon damals so zurückhaltend wie heute waren."

Der Nürnberger gilt manchmal als unentschlossen, wie er mit dem geschichtlichen und kulturellen Erbe zwischen Dürer und Reichsparteitagsgelände umgehen soll. Wie empfinden Sie das?

Ähnlich, aber mehr in Hinsicht auf die Frage, inwieweit man überhaupt so etwas wie stolz auf seine Stadt sein kann. Ich würde mich manchmal gerne zurück ins Mittelalter beamen und zusehen, ob die Nürnberger schon damals so zurückhaltend wie heute oder doch eher weltmännisch auftretend waren. Schließlich hatte die Stadt ja eine Blütezeit als reiches Handelszentrum.

Nach 16 Flemming-Romanen, gehen Ihnen da langsam die Ideen aus, oder haben Sie noch einige Fälle auf Ihrer Liste?

Ideen sind noch genug da. Zum einen habe ich eigene, zum anderen kommen immer wieder Fans mit Vorschlägen auf mich zu. Ich hatte ja nie damit gerechnet, dass die Reihe mal so lange laufen würde. Als ich 2005 meinen ersten Krimi vorgelegt hatte, meinte der Verleger, wir könnten stolz sein, wenn wir es auf drei Teile schaffen.    

Noch einmal kurz zurück zu "Sebalds Fluch": Wussten Sie, dass nach dem Wiederverschließen der Säcke mit den Gebeinen plötzlich noch kleine Knochensplitter übrig geblieben waren? Da wäre doch vielleicht sogar ein Sequel drin, oder?

Oh, das wusste ich nicht, das wäre bestimmt noch mit rein gekommen ins Buch.