Wie sieht Ihr Arbeitsalltag als Illustratorin aus?

Seit der Corona-Pandemie arbeite ich im Homeoffice. Ich fange gleich nach dem Aufstehen an. Nach einer langen Mittagspause arbeite ich dann wieder bis relativ spät abends. Drei Jahre lang habe ich so sehr intensiv an der Graphic Novel "Der Duft der Kiefern" gearbeitet.

Wie beginnen Sie die Arbeit an einem Auftrag? Was inspiriert Sie?

Für die "Rebellinnen" Ausstellung sollte ich Porträts über vier Frauen erstellen. Ich habe zunächst viel recherchiert: Was haben sie geleistet und warum werden sie herausgestellt? Das hat mich sehr interessiert. Bei der Frauenärztin Hermine Heusler-Edenhuizen fand ich es spannend, dass sie so früh studiert hat - als es noch nicht Brauch war, dass Frauen Abitur machen und studieren – und dass sie 1911 schon eine Praxis in Berlin eröffnet hat.

Für die Zeitepoche, in der die Person gelebt hat, suche ich mir zeittypische Merkmale raus, um mich in die Welt einzufinden. Oft kommen auch Farben mit ins Spiel.

In meiner Graphic Novel "Der Duft der Kiefern" habe ich jeder Epoche eine andere Farbe zugewiesen, damit sich der Leser darin besser zurechtfinden kann. Bei den Frauenporträts habe ich auch mit Collagen gearbeitet, weil ich ein bestimmtes Element, das mich inspiriert hat und typisch für die Figur ist, in die Illustration einfügen wollte. Für die Frauenärztin habe ich mir beispielsweise alte Anatomie-Atlanten und Lexika angeschaut. Ich bin eine große Sammlerin, gehe wahnsinnig gern auf Flohmärkte und hebe meine Fundstücke dann auf. Wenn ich eine Vorlage habe, arbeite ich diese gerne digital in meine Zeichnungen ein.

War es schon immer Ihr Traum, Illustratorin zu werden?

Vor der Schulzeit wollte ich Prinzessin werden. (lacht) Als ich lesen konnte, habe ich wahnsinnig viele Pferdebücher gelesen und wollte ein Gestüt haben und reiten. Ich wollte auch Pferdebücher schreiben und illustrieren. So ist es dann nicht gekommen. Aber tatsächlich ist es dabeigeblieben, dass ich gerne lese, schreibe und zeichne und das kann ich in meinem Beruf verbinden. Nach dem Abitur habe ich meinen ersten Comic-Strip veröffentlicht und Cartoons gezeichnet - und dadurch mein Studium finanziert.

Der Duft der Kiefern ist Ihre erste Graphic Novel. Wie lief die Arbeit an diesem Großprojekt im Vergleich zu kleineren Aufträgen?

Ich habe viele kleinere Aufträge abgesagt, die ich anfangs noch gemacht hätte. Das hat den Kopf freigemacht - es ist schön, eine lange Zeit ausschließlich an einem Projekt zu arbeiten. Ich beschäftige mich jedoch auch gerne mit fremden Texten, da ich so Neues lernen und umsetzen kann. Aber drei Jahre an meiner eigenen Familiengeschichte zu arbeiten war ein Abtauchen in eine andere Welt - in die 1940er bis 1960er-Jahre, über die ich sehr viel recherchiert und mit Zeitzeugen gesprochen habe. Meine Söhne haben sich ebenfalls an der Recherche beteiligt. Das war schon ein Hammer-Projekt.

Was haben Sie mit "Der Duft der Kiefern" gelernt über Verdrängung und Lügen?

Ich habe nach den Lesungen und Workshops für das Buch sehr viele Rückmeldungen bekommen und viele Gespräche geführt. Ich fand es großartig, Menschen kennenzulernen, denen es ähnlich geht.

Es ist frappierend, wie viele Menschen aufgrund einer Mauer des Schweigens in der Recherche ihrer Familienhistorie nicht weiterkommen.

In meinem Fall war mein Großvater Nationalsozialist und mit der Wehrmacht im Osten bei Riga. Aber ich habe auch Menschen kennengelernt, deren Familienmitglieder Juden waren und umgekommen sind oder fliehen konnten.

Diese Personen hatten oft dasselbe Problem - dass darüber nicht gesprochen wurde, weil die Verwandten traumatisiert waren oder darüber nicht reden wollten. Das betrifft auch ganz junge Menschen, deren Eltern die Wende und die friedliche Revolution 1989 miterlebt haben.
Manche haben erst jetzt das Bedürfnis, darüber zu sprechen und nachzudenken - wie bei meinem Onkel, der mittlerweile 86 Jahre alt ist. Er stand mir bei dem Projekt unterstützend zur Seite. Ich finde es schön und spannend, diese Spurensuche mit anderen Menschen zu teilen.

Muss sich die Erinnerungskultur in Deutschland in Schulen ändern?

Es wäre schön, wenn es mehr Spielraum in den Lehrplänen gäbe und die Lehrer motivierter wären, mit ihren Schulklassen beispielsweise zu Stolpersteinen zu gehen oder von den Häusern in der Nachbarschaft herauszufinden, welche Menschen dort gelebt haben. Sich vorzustellen, dass die Menschen, die in der Nazizeit vertrieben oder ermordet wurden, über diesen Bürgersteig gingen, diesen Zaun angefasst haben, vielleicht auch diese Schule besucht haben – das bringt uns den historischen Schicksalen sehr viel näher als irgendwelche Zahlen und Fakten.

Der Duft der Kiefern

Bianca Schaalburg

In "Der Duft der Kiefern" taucht die Berliner Autorin in ihre Kindheit ein und stößt dabei auf Verdrängung und Lügen. Was hat ihr Großvater Heinrich, angeblich als Buchhalter bei der Wehrmacht in Riga stationiert, von den Gräueltaten der Nazis gewusst? War er vielleicht selbst beteiligt? Bald stellt sich die Frage nach der Mitschuld ihrer Familie. Sie erfährt, dass diese in einem Haus lebte, das ehemals von jüdischen Mitbürgern bewohnt war. Hat die Familie von der Enteignung profitiert oder war sie gar dafür verantwortlich? Bianca Schaalburg recherchiert die Ereignisse und stellt die Frage nach Schuld und Verantwortung einer ganz normalen deutschen Familie. Wir folgen ihrer detektivischen Spurensuche durch die Nazizeit, die Nachkriegsjahre bis zu den Stasi-Akten des Kalten Krieges und ins Jahr 1968, wo sich alles ändern sollte ...

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