Ohne die Sehnsucht nach dem Absoluten, nach dem ganz Anderen, werde alles banal. Letztlich lasse sich der Sinn des Ganzen nur mit Gott begründen: "Einen unbedingten Sinn ohne Gott zu retten, ist eitel. Zugleich mit Gott stirbt auch die ewige Wahrheit." Ausgerechnet Max Horkheimer (1895-1973) legte dieses Bekenntnis in späten Jahren ab, der Begründer der "Frankfurter Schule", der einmal als Marxist gegolten hatte und mit seiner "Kritischen Theorie" in der Sozialwissenschaft die Skepsis gegenüber allen weltanschaulichen Festlegungen predigte.

Der Sohn eines jüdischen Textilfabrikanten hielt daran fest, dass es dieselbe Leidenschaft sei, die humanistisches Engagement und gläubige Menschenliebe vereine: der Protest gegen Ungerechtigkeit und Leid und der Einsatz für eine Veränderung der Zustände. Vor 50 Jahren, am 7. Juli 1973, ist Max Horkheimer in Nürnberg gestorben.

Horkheimer studierte Ökonomie, Psychologie und Philosophie

Sein Leben war für einen deutschen Professor seiner Zeit eher ungewöhnlich: Geboren wurde er 1895 in Zuffenhausen, heute ein Teil von Stuttgart, wo sein Vater eine Fabrik zur Herstellung künstlicher Baumwolle besaß. Max Horkheimer hatte das Gymnasium vorzeitig verlassen, um als Juniorchef in das Unternehmen einzutreten - und diese Zeit später als besten Anschauungsunterricht bezeichnet, um die Mechanismen einer Klassengesellschaft zu begreifen. Im Jahr 1919 holte er das Abitur nach und studierte in München und Frankfurt am Main Nationalökonomie, Psychologie, Philosophie.

Doch in der reinen Höhenluft philosophischer Spekulation, das erkannte er immer deutlicher, gehe der Blick für die gesellschaftliche Realität und für die Leiden der Opfer verloren. Man frage nach abstrakten Wahrheiten, aber nicht mehr nach Recht und Unrecht, kritisierte er. Deshalb setzte sich das Frankfurter "Institut für Sozialforschung", dessen Leitung Horkheimer 1931 übernahm, ungewohnte Ziele: Man wollte die Wechselwirkungen zwischen Wirtschaft und Kultur untersuchen, gesellschaftliche Entwicklungstendenzen analysieren und die Geschichte der Arbeiterbewegung studieren. An dem Institut arbeiteten auch Theodor W. Adorno, Herbert Marcuse und Walter Benjamin.

Vor den Nazis ins Ausland geflohen

In die Träume von einer solidarischen, friedlichen Welt klirrte der Marschtritt der Nationalsozialisten. Horkheimer hoffte zwar zunächst noch auf eine machtvolle Erhebung der Arbeiter, bereitete aber frühzeitig eine Auslagerung des "Instituts für Sozialforschung" ins Ausland vor. Als die SA am 30. Januar 1933, wenige Stunden nach Hitlers Ernennung zum Reichskanzler, Horkheimers Haus stürmte, war er bereits geflohen. Im folgenden Jahr errichtete er sein Institut an der New Yorker Columbia University neu. Zahlreichen Emigranten aus Deutschland konnte er helfen.

1948 kehrte er nach Deutschland zurück, wo er auf Misstrauen stieß und an der fehlenden demokratischen und freiheitlichen Tradition verzweifelte. In der Bundesrepublik führte die Überwindung der materiellen Not offenbar keineswegs ins Paradies der Freiheit und Gerechtigkeit, wie er es sich vorstellte.

"Seine Grundhaltung ist pessimistisch angesichts der Erkenntnis, dass der aufgeklärte Geist sich durch das Streben nach einem angenehmen und gerechten Dasein selbst zerstöre; der Mensch, dessen Wünsche nahezu erfüllt seien, entledige sich des Denkens",

heißt es in der Horkheimer-Biografie des Deutschen Historischen Museums.

Warnung vor der Anbetung der Macht

Traurig äußerte er sich auch über die Entwicklung des russischen Sozialismus zur Staatstyrannei. 1951 wurde Horkheimer Rektor der Frankfurter Universität: der erste jüdische Hochschulrektor in Deutschland. Er lehrte als Gastprofessor in Chicago, nach seiner Emeritierung zog er sich an den Luganer See zurück. Im Alter von 78 Jahren starb er an Herzversagen. An der Seite seiner Frau Rose Christine Riekher, mit der er seit 1926 verheiratet war, ist er auf dem jüdischen Friedhof von Bern begraben.

Was bleibt von Max Horkheimers Denken? Die Skepsis davor, relative Größen wie Staat, Vaterland, Konfession absolut zu setzen. Die Warnung vor der Anbetung der Macht.

Die Distanz zum "Mythos der Aufklärung", wie er es in seiner 1948 gemeinsam mit Adorno publizierten "Dialektik der Aufklärung" nannte. Ihr Argument: Wird die Natur - auch die menschliche - zum beherrschten Objekt, so missrät die Vernunft zum bloßen Herrschaftsinstrument.

Die Vernunft sollte sich deshalb wieder ihrer kritischen Funktion bewusst werden und der "Sehnsucht nach dem ganz Anderen", so Horkheimer, eine Stimme geben - der Frage nach der letzten Instanz, die Moral, Anständigkeit, Engagement begründen kann. Die Vernunft allein reiche jedenfalls nicht aus, das Grauen der Geschichte zu wenden, stellte Horkheimer fest.

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