Dass dieses Buch, "4.000 Wochen – Das Leben ist zu kurz für Zeitmanagement" von Oliver Burkeman, nicht spurlos an seiner Leserin vorübergeht, dafür ist dieser Artikel der beste Beweis. Eigentlich sollte diese Besprechung bereits vor einiger Zeit geschrieben worden sein. Doch dann war, wie es immer so ist: dieses und jenes. Die Liste all der zu erledigenden Aufgaben lächerlich lang, als hätte man drei Leben, und nicht nur eines.
Oliver Burkeman setzt bei vollgestopften To-Do-Listen an
Und genau hier klinkt sich Oliver Burkeman mit seinem anregenden Sachbuch ein: Mitten in unsere Neigung, To-Do-Listen vollzustopfen mit allem möglichen Kram. Das ist genau so gemeint – Kram steht für all die Dinge, die in unserem Alltag anlanden, von denen wir einige bei genauerer Betrachtung in die Ablage P (= Papierkorb) pfeffern müssten. Da wir aber nicht kritisch hinschauen, schleppen wir all das weiter mit uns herum und meinen, uns schon darum kümmern zu können, irgendwann.
Irrtum Nummer eins: Wir werden niemals alles abarbeiten, schreibt Oliver Burkeman. Deshalb seien Entscheidungen wichtig, was für uns wirklich zähle. Doch statt zu fragen, ob diese Verpflichtung oder jene Aktivität wirklich einen Teil der eigenen Zeit wert sei, setzen wir sie mal gedankenlos auf die Liste.
"Das Jetzt ist alles, was wir bekommen"
Denn wenn darauf erst einmal alles abgehakt sei, dann – ja dann: Könne man sich, irgendwann in einer unkonkreten Zukunft, um die wirklich wichtigen Dinge kümmern, glaubten viele. Voilà: Irrtum Nummer zwei. Denn, so Burkeman: "Das Jetzt ist alles, was wir bekommen."
Ein Satz, den man auf T-Shirts drucken könnte. Und der sehr leicht sehr banal rüberkommen könnte. Doch Burkeman weicht der Gefahr geschickt aus, indem er seinen Gedanken stets ein paar originelle Extra-Umdrehungen verpasst. Der Journalist ist übrigens, so erzählt er es in dem Buch, ein Bekehrter. Ein ehemaliger Produktivitätsgeek, lange schrieb er für die britische Zeitung "Guardian" eine so smarte wie witzige Lebenshilfe-Kolumne. Irgendwann merkte der 47-Jährige: Bringt so nix. Damit machen wir uns das Leben schwerer, nicht leichter.
4.000 Wochen – wenn man 80 Jahre alt wird
Der Leitgedanke von "4.000 Wochen" ist: Deine Zeit ist begrenzt, verschwende sie nicht mit unwichtigem Kram. Darauf spielt auch der Titel an: Wenn man seinen 80. Geburtstag feiert, dann hat man bis zu dem Zeitpunkt rund 4.000 Wochen gelebt. 4.000, gar nicht mal sooo viel. (Abgesehen davon, dass man auch erst einmal 80 werden muss.)
Dass unser Dasein auf Erden flüchtig ist und unsere Zeit wohlüberlegt genutzt sein will, diese Mahnung ist natürlich nicht neu. Seneca lässt grüßen: "Das Leben ist kurz!"
Der britische Feuilletonist verpasst dieser Wahrheit ein erfrischend zeitgemäßes und geistreiches Update, indem er analysiert, was das eigentlich für uns heute bedeutet – in unserer beschleunigten und hibbeligen Zeit mit ihren To-Do-Listen, Produktivitäts-Hacks und der Aufmerksamkeitsökonomie des Internets. Er überlegt, was hinter der modernen Effizienzmanie stecken könnte, oder warum wir wider besseres Wissen so tun, als hätten wir alle Zeit der Welt. Und was klüger und besser wäre für unsere psychische Gesundheit.
"Indem wir uns bewusst mit der Gewissheit des Todes und dem, was daraus folgt, auseinandersetzen, kommen wir endlich ganz in unserem Leben an"
schreibt Burkeman.
"4.000 Wochen" ist kein Selbsthilferatgeber. So wirft Burkeman das trendige Thema Zeitmanagement zunächst naserümpfend über den Haufen ("eine deprimierend kleingeistige Angelegenheit"), um dann, Argument für Argument, seine Version davon aufzubauen. Diese Version kann man – wie das englische Original im Titel – als "Zeitmanagement für Sterbliche" bezeichnen.
"Der wirkliche Maßstab für jede Zeitmanagementtechnik ist", so Burkeman, "ob sie dabei hilft, die richtigen Dinge zu vernachlässigen".
Modernes Memento Mori, britischer Humor inklusive
"4.000 Wochen" ist eine moderne Form der antiken Mahnung: "Bedenke, dass du sterben wirst" (Memento Mori). Ein kurzweiliger Essay, der gespickt ist mit philosophischen und geschichtlichen Bezügen und britischem Humor.
Nebenbei räumt der Autor die Unzulänglichkeitsgefühle und hohen Ansprüche aus dem Weg, mit denen wir uns im Alltag manchmal selbst ein Bein stellen. Wie etwa der verbreiteten Angst, noch nicht fähig genug zu sein für eine Aufgabe.
Wir werden nie alles im Griff haben – gut so!
Es werde nie der Tag kommen, an dem man alles im Griff habe, schreibt Burkeman. Auch andere improvisierten ständig, eigentlich jeder. Und weil das so sei, "kann man genauso gut sofort damit anfangen, kühne Pläne in die Tat umzusetzen".
Überhaupt können wir uns entspannen, "denn gemessen an den makellosen Maßstäben der eigenen Vorstellungskraft kann man es gar nicht gut genug machen".
Und das ist irgendwie ziemlich beruhigend.
"4000 Wochen – Das Leben ist zu kurz für Zeitmanagement"
Oliver Burkeman
Verlag: Piper
Seitenzahl: 304 Seiten, Hardcover
ISBN: 978-3-492-05816-2
22,00 Euro
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