Wie ein Besuch des Konzerts mit den "Ramrods", "Selig" und "Fury in the Slaughterhouse" am Sonntag zeigte, ist ein Strandkorb Openair sogar ein bisschen mehr als ein Kompromiss, sondern auch ein stückweit Abenteuer. Bestuhlte Veranstaltungen, das kennt man ja. Und auch wenn man sich lieber zum Sound der Musik bewegen oder sogar tanzen möchte – im gemütlichen Strandkorb und auf den zirka drei Quadratmetern rundherum, auf denen man sich coronakonform zum Nachbarn austoben darf, geht das sogar besser als bei einem gewöhnlichen Event im Sitzen. Die Sicht auf die hoch stehende Bühne ist hervorragend. Kommt ein kleiner Schauer oder wird es etwas kälter, zieht man sich ins Körbchen zurück.

Um die neuartige Situation für die Besucher noch ein bisschen lockerer zu machen, bringt eine Moderatorin Stimmung auf den Platz, der zu "Rock im Park"-Zeiten die "Parkstage" ist: Eine Kamera filmt in Körbe mit Pärchen, die zu einer Kuss-Wettbewerb aufgefordert werden. Wer sich am schönsten geküsst hat, dem winkt – natürlich – ein Strandkorb als Belohnung. Über den Sieger entscheidet das Publikum mit Klatsch-Lautstärke.

Getränke und Speisen vorab online bestellen für die Kühlbox

Zudem entfällt das Anstehen am Getränke- oder Essensstand: Dafür hatte man entweder schon vorab online Bier, Erdnüsse, Limonade oder andere Snacks bestellt, die in der Kühlbox inklusive Flaschenöffner neben dem Strandkorb bereit stehen. Oder man ordert vor Ort über das Handy beim Personal, das natürlich mit Maske herum läuft.

Was nicht am Strandkorb direkt erledigt werden kann, ist das unweigerliche Geschäft nach dem Genuss der Getränke, dessen Dringlichkeit sich irgendwann zwangsläufig ankündigt. Dann heißt es doch "Maske auf" und entlang des markierten Weges in Richtung Toilette bewegen. Auch hier gilt wie bei vielen öffentlichen Veranstaltungen in diesen Tagen eine Einbahnstraßenregelung, sodass möglichst wenige Kontakte zwischen den Besuchern stattfinden.

Das ungewöhnliche Setting der Strandkorb Openairs ist für einen an diesem Abend schon ein stückweit Normalität geworden: Peter Harasim, Geschäftsführer des veranstaltenden Concertbüros Franken und gleichzeitig Sänger der "Ramrods", die als erste Gruppe des Abends auftritt, hat schon ein Dutzend solcher Events in den vergangenen zwei Wochen hinter sich gebracht und darf heute auch mal wenigstens eine dreiviertel Stunde lang seiner Leidenschaft als Leadsänger einer Rockband frönen. Die Lokalmatadoren haben ihre ersten Auftritte bereits in den 60er-Jahren absolviert, haben ihre Reihen aber sichtlich verjüngt und lassen es mit einer erdigen Mischung aus Rock, Blues und Soul krachen.

Ein ganzes bisschen jünger, aber auch schon mit mittlerweile drei Jahrzehnten Bühnenerfahrung und daher "Classic Rock"-tauglich sind die anderen beiden Gruppen. Die Hamburger "Selig" hatten in den 90ern dem Deutschrock mit einer gehörigen Spritze Hippie-Feeling neues Leben eingehaucht und sind mit ihren eingängigen Riffs und Melodien und den lyrischen Texten auch heute noch ein Hinhörer. Sänger Jan Plewka kriegt sich vor Freude, endlich wieder auftreten zu dürfen gar nicht mehr ein, bekennt zweideutig "Leute, wir sind selig" und setzt damit den running gag des Abends.

Kritik an der UEFA und Wahlaufruf

Die immer wieder auferstandenen Fury in the Slaughterhouse aus Hannover haben ebenfalls Festival-Stallgeruch und einige unverwüstliche Hits wie "Time to wonder" und "Won´t forget these days" im Gepäck. Sänger Kai Wingenfelder zudem noch die ein oder andere Botschaft. Nach der Kontroverse um Helge Schneiders Abbruchs eines Strandkorb-Konzerts vor wenigen Wochen in Augsburg bekennt sich Wingenfelder klar dazu, alle Ideen und Projekte zu unterstützen, die in diesen von Corona und den Einschränkungen durch die politisch verordneten Maßnahmen geprägten Tagen auf die Beine gestellt werden. Hart ins Gericht geht er mit der UEFA, die bei der Fußballweltmeisterschaft in seinen Augen unverantwortlich viele Menschen in die Stadien gelassen hat. Und Wingenfelder ermutigt die Menschen, im September an die Wahlurne zu gehen, egal, welcher Partei man sein Kreuzchen schenken möchte.

Als nach vier Stunden Musik dann die Moderatorin die Besucher wieder in die Nacht entlässt, geht das ganz geordnet zu: Auf einer Leinwand erscheinen die Reihen der Strandkorb-Nummern, deren Besitzer sich als nächstes zum Ausgang bewegen können, sodass es nicht zu allzu großen Menschenansammlungen kommt. Die meisten Gäste sind überzeugt, dass das neue Format tatsächlich nicht nur Abenteuer war, sondern sogar einen echten Mehrwert in der Veranstaltungslandschaft darstellt. Auch wenn unter gewöhnlichen Bedingungen auf dem Platz zehn Mal so viele Gäste hätten zusammen kommen dürfen.

Das Nürnberger Strandkorb Openair geht noch bis zum 28. August. Gleichzeitig findet das Format auch unter anderem in Augsburg und Rosenheim statt.

Bühne beim Strandkorb Openair
Die Bühne beim Strandkorb Openair ist so hoch, dass die Künstler gut gesehen werden können. Hier spielen gerade die "Ramrods".