Das Mozartfest Würzburg, eines der renommiertesten Klassikfestivals Deutschlands, hat sich für 2020 ein besonderes Motto gegeben: "Widerstand. Wachsen. Weitergehen." Dabei sollen Wolfgang Amadeus Mozart und Ludwig van Beethoven in den Konzerten "aufeinander bezogen" werden. Wie sich das konkret im musikalischen Programm widerspiegelt und wo man beiden in gegenwärtiger Musik heute begegnet, erläutert Intendantin Evelyn Meining im Sonntagsblatt-Interview.
Mozart und Beethoven - ein krasser Gegensatz oder eine passende Ergänzung?
Evelyn Meining: Zunächst eint die beiden vieles. Beide kommen aus höfischer Prägung und stehen für einen Zeitenwandel - äußerlich wie innerlich. Hineingeboren ins 18. Jahrhundert sind sie Kinder der Epoche der Aufklärung, gehören mit ihrem Schaffen zu den prägendsten Vertretern der Klassik und waren, jeder auf seine Weise, ihrer Zeit künstlerisch weit voraus. Beethoven und Mozart reagierten auf das Zeitalter der Selbstbefreiung des Individuums. Sie nutzten die Chance der Stunde, die natürlich auch die Befreiung der Kunst ermöglichte. Widerstand, Wachsen und Weitergehen gehören in dieser Zeit eng zusammen: biografisch, gesellschaftspolitisch, ästhetisch, aufführungspraktisch. Attribute, die beide Komponisten und ihr Schaffen charakterisieren.
Wie wird man das diesjährige Festival-Motto musikalisch im Programm wiederfinden?
Meining: Unsere Künstler haben sich mit bewundernswerter Energie und Neugier auf unser Thema in Bezug auf Mozart und Beethoven eingelassen. Wir haben den Fokus auf jene Werke Beethovens gelegt, die sich hörbar an seinen Vorbildern reiben. Dort, wo Beethoven von Mozart lernt, um dann "weiter zu gehen". Wo Komponisten seines Umfelds, deren Namen uns heute kaum noch geläufig sind wie Anton Eberl oder Franz Clement, mit ihren Werken eine Rolle spielen. Auf diesen klingenden Verbindungen liegt der Schwerpunkt von Reinhard Goebels vier Programmen, die er als Artiste étoile 2020 für Würzburg erarbeitet hat und die er "Beethovens Welt" nennt. In mehreren Konzerten begegnen wir Mozart und Beethoven darüber hinaus auch in ausgefallenen Klangsphären zwischen Jazz und Weltmusik.
Das Mozartfest weitet sich hör- und spürbar - auch in Richtung Jazz und Weltmusik. Wieso?
Meining: Musik ist ein lebendiges Ereignis. Wenn jede Musik zeitgebunden ist, wie Nikolaus Harnoncourt gesagt hat, dann ist es völlig natürlich, die Musik unserer Zeit mit in den Blick zu nehmen. Ein Musikfestival hat die Aufgabe, sich mit der Lebensgegenwart auseinanderzusetzen und die findet in ihrer Musik eine eigene Sprache. Wir müssen uns doch fragen, wie wir auch künftig Menschen für Konzerte eines klassischen Musikfestivals erreichen können. Wir öffnen uns mit unseren Angeboten über die traditionellen Formate und Räume hinaus. Um ein paar Beispiele zu nennen: Klassik trifft auf Elektronik in einer angesagten Edeldisco der Stadt, die Leerguthalle vom Würzburger Hofbräu gehört genauso zu unseren Spielorten wie der Golfplatz. Gerade unter jungen Musikern gibt es eine überraschende Kreativität im Umgang mit Musik. Damit stecken sie ein neues Publikum für Konzerte an und können es für gute Musik gewinnen.