Passt der Rollstuhl durch die Tür in das Hotelzimmer? Wie kommen Menschen im Rollstuhl oder mit Rollator an den Strand? Ist eine Stadtführung ohne Treppenstufen und Kopfsteinpflaster möglich? Für Menschen mit eingeschränkter Mobilität und ihre Begleiter ist das Reisen oft eine "logistische Herausforderung", sagt Caterina Lyoth vom "Verbund behinderter ArbeitgeberInnen" (VbA), der sich für das selbstbestimmte Leben von Menschen mit Handicap einsetzt.

Die gelernte Reiseverkehrskauffrau weiß, wovon sie spricht. Für den Münchner Verein organisiert und begleitet sie seit 2016 Busreisen und Ausflüge für Leute, die nicht mehr oder nur schwerlich gehen können. Ihr Fazit: "Ein riesiger organisatorischer Aufwand."

Statistik: Knapp 11 Prozent der Hotels in Deutschland barrierefrei

Die Probleme beginnen bei der Suche nach einer geeigneten Unterkunft, sagt Lyoth. Zwar ist laut Hotelverband Deutschland (IHA) rund jedes neunte der knapp 20.500 Hotels in der Bundesrepublik zumindest in Teilen barrierefrei, wie die Bundesregierung im Juli 2018 auf eine schriftliche Anfrage der Linken mitteilte. Die meisten erfüllten vor allem Kriterien für Gäste mit Rollstühlen und Gehhilfen. Allerdings beruhen die Zahlen auf Selbstauskünften der Betriebe, die nur teilweise geprüft werden.  

"Die Hotels, die ich buche, sind alle handverlesen", betont Lyoth. Die 61-Jährige weiß aus Erfahrung, dass es besser ist, in den Herbergen anzurufen und konkret nachzufragen: Ist Ihre Dusche ebenerdig? Wie breit ist die Tür zum Bad? Gibt es Haltegriffe links und rechts von der Toilette? Gibt es Pflegebetten? Und weil sie trotzdem immer wieder falsche Auskünfte bekommt, fährt Lyoth vorsichtshalber zu den vermeintlich barrierefreien Gasthöfe und Hotels und besichtigt sie persönlich.

Barrierefreier Urlaub in Bayern

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Mehr Menschen benötigen im Urlaub barrierefreie Unterkunft

Dabei fällt ihr immer wieder ein weiteres Problem auf: In vielen Quartieren kommen nur ein oder zwei Zimmer für Menschen mit Behinderung in Frage. "Es fehlen Hotels mit mehreren rollstuhlgerechten Zimmern", findet Lyoth. Die könnte nicht nur sie mit ihren bis zu 20-köpfigen Reisegruppen gut gebrauchen.

Wegen des demografischen Wandels benötigen immer mehr Menschen im Urlaub eine barrierefreie Unterkunft. Statistiken zufolge hat jeder zehnte Deutsche einen Schwerbehindertenausweis. Rund 2,9 Millionen Menschen in der Bundesrepublik sind pflegebedürftig.

Barrierefrei reisen mit rollstuhlgerechtem Bus

Trotz allem hat die gebürtige Potsdamerin Lyoth bisher immer ein geeignetes Quartier gefunden. Trips in den Schwarzwald, ins Elsass, nach Kärnten und Südtirol – möglich macht das ein Bus mit Rollstuhltoilette an Bord, herausnehmbaren Sitzen und einem Lift, der die Rollstühle samt Fahrer ins Fahrzeug heben kann.

Als frühere Mitarbeiterin des Reisedienstes des Sozialverbandes VdK Bayern erhielt sie immer wieder Anrufe von Menschen mit Behinderung, die fragten, ob sich die von ihr angebotenen Ausflüge auch für blinde, gehörlose oder körperlich eingeschränkte Personen eigneten. Da wurde ihr klar: "Das ist eine Riesen-Marktlücke."

Das haben auch Tourismusverbände erkannt. Um Reisen für Menschen mit Handicap zu erleichtern, haben das Deutsche Seminar für Tourismus Berlin und die Nationale Koordinationsstelle Tourismus für Alle ein einheitliches Gütesiegel für Barrierefreiheit geschaffen. Hotels, Restaurants, Museen und andere Tourismusanbieter können sich in dem vom Bundeswirtschaftsministerium und Hotelverbänden geförderten Projekt "Reisen für Alle" prüfen lassen.

Die Ergebnisse werden in einer Datenbank im Internet veröffentlicht. Reisende können sich so vor ihrem Urlaub oder einem Ausflug über ihr Ziel informieren. Den Angaben zufolge sind bundesweit derzeit 2.150 Betriebe zertifiziert oder im Zertifizierungsprozess.

Gerade für Menschen mit körperlichen Einschränkungen sei es wichtig, mal ein paar Tage aus ihrer gewohnten Umgebung rauszukommen, sagt Lyoth. Und auch für die Partner ist eine Reise wichtig, zum Beispiel um in Kontakt mit anderen Pflegenden zu kommen: "Einfach eine Woche loslassen."

Lyoth: "Man muss hartnäckig sein"

Sie könne aber jeden verstehen, der darauf verzichte, eine private barrierefreie Reise zu planen. Denn auch die Planung des Freizeitprogramms ist aufwendig, sagt Lyoth. Jeder Rastplatz müsse barrierefreie Sanitäranlagen haben. In Gaststätten müssten die Tische "unterfahrbar" sein – also so hoch sein, dass ein Rollstuhl darunter passt. "Und zwischen den Sehenswürdigkeiten dürfen keine 500 Meter Kopfsteinpflaster liegen", zählt sie auf. Bei Stadtbesichtigungen arbeitet Lyoth deshalb mit geschulten Führern zusammen. Diese wüssten genau, wo es Aufzüge gibt oder Sitzbänke für die Begleiter.

Ansonsten setzt sie bei der Organisation der Reisen auf ihre Beharrlichkeit. Die Leute müssten verstehen, dass es ihre Mutter und ihr Bruder sein könnten, die im Rollstuhl sitzen und gerne was von der Welt sehen würde, sagt Lyoth. So sei es ihr gelungen, mit ihrer Reisegruppe die Anna Amalia Bibliothek in Weimar zu besuchen oder mit der Schmalspurbahn auf den Brocken zu fahren – Orte, die sonst nicht so leicht zugänglich sind für mehrere Menschen im Rollstuhl. "Man muss hartnäckig sein."

"Reisen für Alle": Bundesweites Kennzeichnungssystem für barrierefreie Angebote

Menschen mit Handicap, Senioren und Familien sind auf Reisen oft mit Barrieren konfrontiert, zum Beispiel durch fehlende Rampen oder Aufzüge. Das Kennzeichnungssystem "Reisen für Alle" soll es ihnen erleichtern, ihr Ausflugsziel, den Veranstaltungsort oder die Unterkunft besser einzuschätzen.

Auf der Internet-Plattform www.reisen-fuer-alle.de können sie in einem Katalog zum Beispiel nach Museen, Campingplätzen, Hotels, Restaurants und Bahnhöfen suchen und sich nähere Informationen zur Barrierefreiheit einholen: Ist das Café für Menschen mit Hörbehinderung geeignet? Sind Informationen in Brailleschrift vorhanden?

Bisher umfasst das Verzeichnis im Internet rund 1.300 zertifizierte Einträge aus ganz Deutschland. Die Angebote, Orte und Betriebe wurden nach Angaben des vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten Projekt von einem externen Gutachter geprüft. Darüber hinaus hat mindestens ein Angestellter eine Schulung erhalten. Weitere Tourismusanbieter befinden sich den Angaben zufolge derzeit im Zertifizierungsprozess.