Rut war die Urgroßmutter König Davids - und taucht als eine von wenigen Frauen auch im Stammbaum Jesu auf. Das nach ihr benannte biblische Buch erzählt ihre Geschichte; es erklärt, wie ausgerechnet eine Ausländerin zur Ahnin einer bedeutenden jüdischen Königsfamilie werden konnte.

Was die Nachrichten in den letzten Monaten täglich vor Augen führen, war auch zu biblischer Zeit schon für viele Menschen bittere Realität. Verfolgung oder Armut treiben Menschen zur Flucht. Auch Ruts spätere Schwiegermutter Noomi zog eines Tages aufgrund einer Hungersnot von Betlehem aus in die Fremde. Zusammen mit ihrem Mann Elimelech und ihren beiden Söhnen Machlon und Kiljon ließ sie sich im Land Moab nieder, »um dort als Fremdling zu wohnen« (Rut 1, 1). Das Glück allerdings wollte sich auch dort nicht einstellen. Schon bald verlor Noomi ihren Mann.

 

Rut und ihre Schwiegermutter

Die beiden Söhne heirateten die Moabiterinnen Rut und Orpa. So wurde Rut zu Noomis Schwiegertochter. Doch kurz nach der Hochzeit starben auch Noomis Söhne. Nun waren die drei Frauen auf sich allein gestellt. Keine einfache Situation, zumal Rut und Orpa noch keinen Erben geboren hatten und Frauen ohne männliches Familienoberhaupt meist schutz- und mittellos dastanden. Noomi entschied sich also, zu ihren Verwandten nach Betlehem heimzukehren. Sie riet auch ihren Schwiegertöchtern, zu ihren Herkunftsfamilien zurückzugehen.

Rut und Orpa liebten ihre Schwiegermutter und wollten sie zunächst beide nicht alleine ziehen lassen. Orpa war das Risiko eines Neuanfangs in der Fremde aber schließlich doch zu groß. Sie entschied sich, in ihrer Heimat zu bleiben, und nahm unter Tränen Abschied von ihren Gefährtinnen. Rut dagegen blieb bei ihrem Entschluss. Sie wollte die liebgewonnene Schwiegermutter nicht im Stich lassen - komme, was da wolle. »Wo du hingehst, da will ich auch hingehen; wo du bleibst, da bleibe ich auch. Dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott« (Rut 1, 16), versprach sie. Damit war die Sache entschieden. Sie zog mit Noomi nach Betlehem.

Rut - die Fremde

Mittellos kamen die beiden dort an. Kritisch wurden sie von den Einheimischen beäugt. Einige von ihnen erkannten Noomi wieder und scheinen überlegt zu haben, warum ihr so ein schweres Schicksal widerfahren war. Getuschel wurde laut. Schließlich sprach Noomi selbst aus, was die Leute dachten: Nennt mich »Mara« (bitter), forderte sie, »da doch der Herr gegen mich gesprochen und der Allmächtige mich betrübt hat« (Rut 1, 21).

Rut allerdings wirkte weiterhin zuversichtlich. Nach jüdischem Recht war es den Armen erlaubt, während der Ernte auf dem Feld die liegengebliebenen Ähren aufzusammeln. Rut machte sich also auf, um für sich und Noomi etwas zu essen zu beschaffen. Das Feld, auf dem sie die Ähren sammelte, gehörte einem reichen Mann namens Boas. Er war ein Verwandter von Noomis verstorbenem Mann Elimelech.

 

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Rut macht einen Heiratsantrag

Boas war sehr beeindruckt von Ruts Tatkraft und ihrer Treue zur Schwiegermutter. Deshalb veranlasste er, dass seine Leute absichtlich ein paar Ähren mehr für sie auf dem Feld zurückließen. Alleine umherstreifende Frauen waren ständig der Gefahr von Übergriffen und sexueller Gewalt ausgesetzt. Boas riet Rut daher, auch an den kommenden Tagen immer in der Nähe seiner Mägde zu bleiben, dann werde ihr nichts geschehen. Schließlich bot er ihr auch noch an, mit seinen Leuten gemeinsam zu essen und zu trinken. Die Freude war groß, als Rut mit unerwartet reicher Ernte und einer Mahlzeit für die Schwiegermutter zu Noomi zurückkehrte.

Rut erzählte ihrer Schwiegermutter, wer so großzügig gewesen war. Noomi wusste, dass Boas ein Verwandter Elimelechs war, und erkannte die Chance, die sich ihnen da bot. Sie riet Rut, ein Bad zu nehmen und sich ein wenig hübsch zu machen. Am Abend solle sie dann zu Boas gehen, sich zu ihm auf sein Lager legen und tun, was er ihr sage. Rut tat, was Noomi ihr aufgetragen hatte. Doch wartete sie nicht darauf, dass Boas ihr mitteilte, was zu tun sei. Sie selbst forderte ihn auf: »Breite den Zipfel deines Gewandes über deine Magd, denn du bist der Löser« (Rut 3, 9).

Als der verdutzte Boas merkte, wer sich da zu ihm gelegt hatte und ihm gerade einen Antrag machte, war er noch beeindruckter von der jungen Frau als zuvor schon. »Du hast deine Liebe jetzt noch besser erzeigt als vorher, dass du nicht den jungen Männern nachgegangen bist, weder den reichen noch den armen« (Rut 3, 10), meinte er anerkennend. Gerne würde er sie heiraten, versicherte er, und er werde sich bemühen, alles in die Wege zu leiten - doch es gebe da noch einen anderen Verwandten, der ein Vorrecht auf diese Ehe habe. Rut und Noomi blieben also zunächst im Ungewissen.

Rut heiratet Boa

Doch Boas nahm die Sache noch am gleichen Tag in die Hand. Er kontaktierte seinen Verwandten, der auf sein Vorrecht verzichtete. Vor Zeugen versprach Boas nun, Rut zu heiraten, auf »dass ich den Namen des Verstorbenen erhalte auf seinem Erbteil und sein Name nicht ausgerottet werde unter seinen Brüdern« (Rut 4, 10).

Die Hochzeit konnte stattfinden. Schon kurz darauf wurde Rut schwanger und gebar ihren ersten Sohn Obed, den späteren Vater Isais und Großvater Davids. Ihm stand das Erbe Elimelechs zu, denn Ruts Sohn galt rechtlich als Sohn ihres ersten Ehemanns.

So hatte Rut in der Fremde nicht nur einen neuen Mann gefunden, sondern sich und ihrer geliebten Schwiegermutter auch eine Altersversorgung und gesellschaftliche Anerkennung gesichert. Glücklich hält Noomi ihren Enkel am Ende der Erzählung auf dem Schoß, während die Frauen Betlehems Ruts Treue zu ihrer Schwiegermutter loben.

Erzählung über Rut ist aktuell

Das Buch Rut sei das »lieblichste kleine Ganze […], das uns episch und idyllisch überliefert worden ist« meinte Johann Wolfgang von Goethe im West-östlichen Divan. Tatsächlich ist dieses Buch etwas ganz Besonderes unter den biblischen Büchern. Es erzählt nicht nur in literarisch ausgefeilter Form von der Treue Ruts zu ihrer liebgewonnenen Schwiegermutter. Es gibt auch wie kein anderer Text der Bibel Einblicke in die Lebenswirklichkeit der Frauen zur damaligen Zeit. In einem von Männern dominierten Umfeld verlieren zwei Frauen nicht den Mut. Selbstbewusst finden sie einen Weg aus der Armut, die jeder kinderlosen Witwe damals drohte, weil Frauen nicht erbberechtigt waren.

Der damals verbreiteten Ansicht, dass Juden keine Ausländer heiraten sollten, stellt der Text Ruts vorbildhaftes Verhalten im Vertrauen auf den Gott Israels gegenüber. Ihre Geschichte zeigt: Gott steht zu den Menschen, die in seinem Sinne handeln - völlig ungeachtet ihrer Herkunft. Eine Botschaft, die bis heute nichts an Aktualität verloren hat.