Am zweiten Septemberwochenende steigt eine riesen Party in dem kleinen Dorf Taybeh im Westjordanland, ein halbe Stunde Fahrt von Jerusalem entfernt. Gleich zwei Jubiläen werden dabei dieses Jahr gefeiert: 15 Jahre Taybeh Oktoberfest und das Taybeh Bier wird 25 Jahre alt.
Im Jahr 2004 gründete der christliche Palästinenser Nadim Khoury die erste Mikrobrauerei des Nahen Osten, die Taybeh Brewery. Es war das Jahr des Osloer Friedensprozesses. Nadim lebte damals in Amerika. In der Hoffnung, dass es endlich Frieden zwischen Israelis und Palästinensern geben würde, kehrte er in sein Heimatdorf zurück. Als Immobilienmakler hatte er die finanziellen Mittel, um zusammen mit seinem Bruder eine Brauerei zu eröffnen. "Weil ich so gern Bier trinke", behauptet der schwarzhaarige Mann mit den dunklen Augen und dem kleinen Bierbauch schmunzelnd. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Es ging es ihm auch darum, Arbeitsplätze zu schaffen und zum wirtschaftlichen Aufschwung in den palästinensischen Autonomiegebieten beizutragen.
Taybeh Oktoberfest: Hopfen für palästinensisches Bier kommt aus der Hallertau
Die Zutaten für das Bier müssen importiert werden. Der Hopfen kommt aus Bayern, das Malz aus Belgien, die Flaschen aus Spanien. Nur das Wasser kommt direkt aus der Quelle vor Ort. Der Import der Rohstoffe ist nicht immer einfach, da sie am Hafen bei der Einfuhr nach Israel streng kontrolliert werden und es dadurch manchmal länger dauert, bis sie ihr Ziel erreichen. Doch das ist Alltag für die Familie Khoury.
Sechstausend Hektoliter Taybeh Bier werden im Jahr produziert. Außer den Familienmitgliedern arbeiten in der Brauerei 15 vorwiegend muslimische Arbeiter. "Die Arbeiter in der Brauerei trinken kein Bier, nicht einmal alkoholfreies", erklärt Nadim. "Schließlich halten wir uns ja alle an die religiösen Regeln", sagt er augenzwinkernd und schmunzelt ein bisschen.
Die Khourys sind, so wie die meisten Einwohner Taybehs Christen, deshalb dürfen sie Alkohol trinken. Neben den fünf regulären Sorten, den Hausbieren, hat Nadims Sohn Canaan für das diesjährige Taybeh Oktoberfest fünf zusätzliche Sorten produziert. Besonders exotisch klingt das "Lemon Sitti Goose", ein Bier mit Limonengeschmack und Salz aus dem Toten Meer.
Sowohl Nadims Sohn, als auch seine Tochter haben beide in Amerika Brauereiwissenschaften studiert und mit Auszeichnung bestanden. Sie kreieren Biere auf Feinschmeckerniveau, die beliebt sind in den schicken Bars und Restaurants in Tel Aviv und Jerusalem. Alle Biere sind nach dem deutschen Reinheitsgebot gebraut - und außerdem koscher. Doch das interessiert die jungen Israelis und die anderen Bierliebhaber weniger als der exzellente Geschmack.
Tausende Bierfans aller Nationalitäten und Religionen kommen zum Taybeh Oktoberfest
Das Taybeh-Bier und das Oktoberfest sollen Freude und Vergnügen in die Region bringen und ein Stück Normalität. Es soll zeigen, dass Palästina mehr zu bieten hat als politische Unruhen: Musik, Tanz, köstliches Essen, Kultur und Bier. Und dass das Hopfengetränk im Nahen Osten genau genommen eine längere Tradition hat als in Bayern, wissen auch viele nicht, erklärt Nadim Khoury:
"Vor 5.000 Jahren erfand der Pharao das Bier. Als die Pyramiden gebaut wurden, war der Lohn für die Arbeiter ein Laib Brot und ein Krug Bier."
Zu Bier und Würstchen gibt es arabische Folkloretänze, Rockmusik und DJs, aber auch ungarische und österreichische Klänge. Über eine Band aus Bayern würde sich die Familie Khoury sehr freuen, doch bis jetzt ist noch niemand der Einladung gefolgt. Außerdem findet ein Umzug statt, man kann klettern, es gibt Spiele für Kinder, Schminken mit Henna und am Samstagabend wird ein gemeinsamer Gottesdienst gefeiert.
In den letzten 25 Jahren, seit der Gründung der Brauerei, hat sich viel verändert in Taybeh. Inzwischen gibt es in dem 2.100- Einwohner Ort das neue Bier-Pub im Taybeh Golden Hotel, eine Boutique Winery und die Taybeh Olive Company, die Olivenbauern unterstützt. Nadim Khoury macht immer weiter, trotz seiner Erfahrung, dass es für ihn als Palästinenser oft nicht einfach ist, seine Geschäfte zu führen. Deshalb wünscht er sich für die Zukunft "mehr Freiheit, ein normales Leben und einen eigenen Staat Palästina." Und natürlich ein friedliches Taybeh Oktoberfest.