Taten, die deinen Glauben an die Menschheit wiederherstellen", heißt eine Rubrik auf einem Videoportal. Gesammelt werden dort Geschichten, die von "little acts of kindness" – von kleinen Akten der Freundlichkeit – erzählen. Da wird spontan ausgeholfen, um auf einer belebten Straße ein Auto auf die Seite zu schieben, Essen wird geteilt, Wasser in der Hitze gereicht, Komplimente, Trost und Blumen werden verschenkt, spontan wird Solidarität gelebt, viel gelacht und ebenso viel geweint. Meist sind es kleine, unspektakuläre Momente, die in wackeligen Videos festgehalten wurden; viele sind zufällig entstanden, doch alle sind anrührend, während sie ihre kleinen Geschichten von Freundlichkeit erzählen.

Die ehemalige Premierministerin von Neuseeland, Jacinda Ardern, ist nach ihrer ersten Wiederwahl 2017 mit einer "policy of kindness" angetreten. Ihre Idee war es, sich im politischen Handeln von Freundlichkeit und Mitgefühl leiten zu lassen – und dies auch mitten in den harschen Herausforderungen ihrer Zeit, aber auch mitten in dem Getöse, das bisweilen im politischen Gefüge um Menschen gemacht wird. Freundlichkeit als politischer Wert sollte fortan ihre soziopolitische Vision stärken. "Policy of kindness" hieß für sie, aus eben dieser Warte Probleme anzuschauen, um dann in einem fairen Miteinander nach ebenfalls fairen Lösungen zu suchen. Dies waren mehr als Absichtserklärungen, sondern ein wesentlicher Zug ihres politischen Handelns, wie nicht nur Arderns Rede vor der UN-Generalversammlung im Jahr 2018 zeigte, sondern auch ihr konkretes Handeln beim Anschlag auf die Moschee in Christchurch (2019), bei dem 51 Menschen erschossen wurden.

"Policy of kindness erscheint wie eine naive Trutzburg gegen Isolationismus und narzisstische Selbstzentriertheit

"Policy of kindness", die sich in diesen Tagen und weit darüber hinaus gezeigt hat, erscheint wie eine naive Trutzburg gegen Isolationismus und narzisstische Selbstzentriertheit. Sie erscheint zudem als schwach und unsinnig angesichts einer Welt, die so konfliktbeladen ist, dass Freundlichkeit und allemal eine "policy of kindness" wie eine übergroße Einladung daherkommen, über den Tisch gezogen und für höhere Machtinteressen missbraucht zu werden – und dabei dann auch noch freundlich zu lächeln.

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