Evangelischer Landesbischof mit "Tutzinger Löwe" ausgezeichnet

Der bayerische evangelische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm ist am Sonntag von der Evangelischen Akademie Tutzing mit dem "Tutzinger Löwen" ausgezeichnet worden. "Es ist mir eine große Ehre", bedankte sich der Landesbischof bei der Verleihung. Einer der Gründe, warum er sich besonders über die Auszeichnung freue, sei seine enge biografische Bindung an die Akademie. Bereits als Student habe er dort Tagungen besucht und es seien Freundschaften entstanden, die bis heute hielten.

Der südafrikanischen Theologe Renier Koegelenberg hob in seiner Laudatio für den Landesbischof hervor, "dass er sich schon immer für die sozial Schwachen eingesetzt hat. Er trat immer dafür ein, dass Kirche eine gesellschaftliche Rolle einnimmt".

Bedford-Strohm habe nicht davor zurück geschreckt, schwierige Probleme anzusprechen und auch Fehler zu machen.

Neben Bedford-Strohm erhielt auch der anglikanische Erzbischof von Kapstadt, Thabo Makgoba, einen "Tutzinger Löwen". Er sei "nicht nur ein wunderbarer Mensch", würdigte der evangelische Landesbischof seinen Mitpreisträger, "sondern er ist auch eine eindrucksvolle moralische Stimme in einem Land, das das gerade jetzt so dringend braucht". Makgoba bedankte sich in seiner Rede bei Bedford-Strohm: "Es ist eine große Ehre, mit einem Seelenverwandten und Freund geehrt zu werden." Er sehe den Preis als Rückenwind für seine Aufgaben.

Mit der Doppelauszeichnung würdige die Evangelische Akademie laut Bedford-Strohm auch die Zusammenarbeit mit der Ecumenical Foundation of Southern Africa (EFSA), deren Kuratoriumsvorsitzender der anglikanische Erzbischof war. Beide Institutionen würden sich gemeinsam Schlüsselfragen der Zukunft stellen, "ob es die Rolle Südafrikas im Ukraine-Konflikt ist oder die Herausforderung extremer wirtschaftlicher Ungleichheit in unseren Gesellschaften", sagte Bedford-Strohm.

Vor Bedford-Strohm und Makgoba haben die Bronzeplastik des "Tutzinger Löwen" unter anderem die Politiker Joachim Gauck, Helmut Kohl, Hildegard Hamm-Brücher und Egon Bahr erhalten. Auch die ehemalige Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, der Philosoph Jürgen Habermas, Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu und Hollywood-Regisseur Oliver Stone konnten sie entgegennehmen, wie die Akademie mitteilte.

Heinrich Bedford-Strohm: Ächtung von Streubomben muss sich bewähren

Zuvor hatte Bedford-Strohm den von der Ukraine geplanten Einsatz von Streubomben im russischen Angriffskrieg scharf kritisiert. Er sagte:

"Es gibt gute Gründe dafür, dass eine breite Gemeinschaft von Staaten Streubomben völkerrechtlich geächtet hat."

Sie seien anders als andere Waffen gerade für die Zivilbevölkerung von besonders zerstörerischer Wirkung, auch nach dem Ende des Kriegs. Wenn sich die westliche Seite "jetzt auf das Niveau der russischen Kriegsführung" begebe, sei das "nicht akzeptabel". Die völkerrechtliche Ächtung von Streubomben müsse sich gerade dann bewähren, "wenn die militärische Lage den Wunsch weckt, sie einzusetzen", sagte Bedford-Strohm.

Kardinal Marx: Christentum nicht auf moralische Botschaft reduzieren

Der Münchner Erzbischof Kardinal Reinhard Marx sieht nach wie vor einen politischen Auftrag der Kirchen. "In Zeiten von Nationalismus und Autoritarismus, Grenzen und Kriegen,  bleiben wir Universalisten. Wir bleiben Schwestern und Brüder", sagte Marx am Samstagabend beim Symposium "Politisches Christentum und christliche Politik" in der Evangelischen Akademie Tutzing.

In der Corona-Zeit sei die Frage gestellt worden, ob die Kirchen systemrelevant seien, sagte Marx. Ihm sei das seltsam vorgekommen. "Ist Kirche nicht eher aufgerufen, eine kritische Instanz zu sein gegenüber dem, was sich als System behaupten will?"

Jesus sei öffentlich aufgetreten, er sei eine öffentliche Figur gewesen.Und der Grund seines Todes sei ein politis cher gewesen: "Er passte nicht ins System. Er war Störenfried."

Jesus habe die bestehende politische und religiöse Ordnung beunruhigt. Das gelte auch für die frühen Christen. "Sie waren immer im Streit miteinander. Und sie störten das politische System." Anders als beispielsweise die Juden hätten sie einen universellen Anspruch vertreten: "Alle sollen eintreten und mitmachen." Das habe sowohl die religiöse wie die politische Ordnung bedroht.

Die später folgende Verbindung von Christentum und politischer Macht sei hingegen die Folge einer Funktionalisierung der Religion nach dem Motto: "Ihr sorgt für die Moral, wir für die Gesetze." Bis heute gebe es diese Überlegungen. Und in manchen autoritären Regimen freuten sich die Geistlichen, dass sie ihre Vorstellungen endlich konsequent umsetzen könnten. 

Abzulehnen sei aber auch die Privatisierung des christlichen Glaubens, bei der dieser zu einem bloßen Gefühl werde. "Reduzieren wir das Christentum nicht auf eine moralische Botschaft", sagte Marx. "Das ist langweilig, da kommen andere auch drauf." Natürlich könne das Evangelium da auch Impulse geben. Aber das Zentrale sei es, Gottesdienste zu feiern, und sich damit dem absoluten Geheimnis Gottes zu stellen. Damit werde Religion auch politisch.

Gott nie ohne Menschen denken

Gott könne nie ohne den Menschen gedacht werden, sagte Marx weiter. "Alle Menschen sind im Blick, das vermisse ich oft." Die Herausforderung sei, als eine Minderheit, die die Kirchen in absehbarer Zeit sein würden, zu allen Menschen zu sprechen. "Wir sind wenige, aber wir reden von der ganzen Welt, immer." Wenn dieser Schwung nicht da sei, könne man über die politische Botschaft der Kirche gar nicht mehr reden:

"Nur eine Gemeinschaft, die sagt, wir sind für alle da, uns interessieren alle Menschen, besonders die Kranken, die Schwachen - nur so eine Kirche kann eine politische Relevanz haben."

Theologe Höhne: Evangelische Publizistik für Kirche unverzichtbar 

Die evangelische Publizistik ist für den Professor für Medienethik und Digitale Theologie Florian Höhne ein unverzichtbarer Bestandteil zur Herstellung von Öffentlichkeit. "Über journalistische Formate gewinnen Kirchenvertreter Beachtung. Soziales Engagement in der Kirche wird durch journalistische Formate öffentlich oder nicht", sagte Höhne am Samstagabend in Tutzing.

Höhne sagte, sowohl der Journalismus als auch die Kirche befänden sich in einer tiefgreifenden Transformation. Medien und Journalisten informierten Bürgerinnen und Bürger darüber, wie sie an einer öffentlichen Debatte teilhaben könnten. Sie befähigten zur Teilnahme an Diskussionen. "Dadurch sind sie auch für die Theologie relevant." Höhne hob auch die Bedeutung des Lokaljournalismus hervor:

"Gerade auf lokaler und kommunaler Ebene werden christliche Praktiken konkret." In manchem Dorf sei die Kirche der letzte verbliebene öffentlicher Raum.

Evangelische Publizistik bringt konstruktiv-kritische Dimension

Gehe es um die konstruktiv-kritische Dimension, komme man an der evangelischen Publizistik nicht vorbei. Diese sei geeignet, Schwachen eine Stimme zu geben und Themen anzusprechen, die sonst keine Beachtung fänden, sagte Höhne unter Bezug auf Robert Geißendörfer, den Gründer des Evangelischen Presseverbands für Bayern.

Pfarrerin und "Wort zum Sonntag"-Sprecherin Stefanie Schardien erklärte, es gebe mittlerweile ein Überangebot an Information. Viele andere Angebote erschienen erstmal verlockender als die der Kirche. Aus ihrer Arbeit sowohl in den Medien wie als Pfarrerin wisse sie: "Dogmatische Lehrsätze haben in der Öffentlichkeit wenig Geltung."

Sie wolle so persönlich wie möglich erklären, "was ich mit Glauben erlebt habe. Wenn es um Sünde geht, Hoffnung, Erlösung - das interessiert Menschen".

Zudem forderte Schardien mehr Mut zur thematischen Fokussierung. Es gebe in öffentlichem Reden eine Tendenz, alles ansprechen zu müssen.

Staatskanzleichef Herrmann betont Bedeutung der Kirchen

Das Christentum und die Kirchen sind für den Chef der bayerischen Staatskanzlei, Florian Herrmann (CSU), ein großer Schatz und ein wichtiges Fundament für die Gesellschaft. "Wir sollten dieses Fundament nicht schleifen und ins Wanken bringen", sagte Herrmann bereits am Freitagabend. Er halte die aktuelle "Verschränkung von Staat und Kirchen" etwa im Bereich der Staatsleistungen "für richtig und wir sollten dies auch verteidigen".

Herrmann sagte, Kirche und Religion habe für ihn und die bayerische Staatsregierung "selbstverständlich" über den persönlichen Glauben hinaus noch Relevanz für die Gesellschaft.

"Die Kirchen haben uns viel zu sagen und zu geben", erläuterte er. Nur die Religionen seien in der Lage, "grundlegende Moral- und Wertvorstellungen in die gesellschaftlichen Debatten einzubringen".

Ein religiös neutraler Staat dürfe eben nicht gleichbedeutend sein mit einer "Gleichgültigkeit des Glaubens" in Politik und Gesellschaft. Er wolle in Deutschland und Bayern "keine strikte Laizität", sondern ein "vernünftiges Staats-Kirchen-Verhältnis", betonte Herrmann.

Christen müssen Position beziehen

Kirche müsse in der politischen Diskussion immer vorsichtig sein, "nicht zu stark Position zu beziehen". Denn die Kirchen seien "am Ende des Tages keine NGO mit Abendmahl, sondern mehr". Zugleich bestehe die Gefahr, dass man Andersdenkende Christinnen und Christen damit mitunter vor den Kopf stoße. Der Staatsminister sagte, die frohe Botschaft des Christentums sollte am Ende des Tages "nicht verloren gehen", auch weil es eine großartige politische Botschaft sei - nämlich beispielsweise auch für die Schwachen einzustehen. Er wünsche sich wieder "mehr Christlichkeit" auch im politischen Alltag, sagte er.

Bedford-Strohm sagte zur Gefahr der zu starken tagespolitischen Positionierung, dass dies gerade auf die Frage der Klimakrise nicht zutreffe. Eine engagierte Klimapolitik sei angesichts der Warnungen des Welt-Klima-Rates nicht nur wünschenswert, sondern überlebensnotwendig:

"Klimapolitik ist ethisch relevant", sagte der evangelische Theologe: "Wenn mein Enkel im Jahr 2082 nicht mehr so gut auf dieser Welt leben könnte wie ich heute, muss ich etwas dagegen unternehmen." Insofern sei das ganze kein tagespolitisches Thema.

Der Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Sven Giegold (Grüne), sprach in seinem Vortrag und im anschließenden Gespräch mit den Gästen in Tutzing über die persönlichen moralischen Konflikte etwa bei der Genehmigung von Waffenexporten. "Ohne meinen Glauben wäre ich nicht mehr an dieser Stelle, ich hätte es sonst gar nicht ausgehalten", sagte Giegold. Der Glaube spende ihm auch bei politischen Kompromissen Trost. Er halte es deshalb mit Dietrich Bonhoeffer, der gesagt hat, dass es unmöglich sei, Verantwortung zu übernehmen, ohne sich nicht auch zeitgleich in gewissem Maße schuldig zu machen.

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