Herr Büttner, Ihre Initiative kritisiert unter anderem, dass Hartz-IV-Empfänger durch Sanktionen des Jobcenters über Gebühr bestraft werden. Wollen Sie diese Sanktionen ganz abschaffen?
Büttner: Ich weiß, dass die Arbeitsverwalter ein Instrument wollen, um Menschen zur Mitarbeit aufzufordern. Aber die harte Grenze ist das Existenzminimum, das der Hartz-IV-Regelsatz von 416 Euro für einen allein stehenden Erwachsenen ja definiert. Darunter darf der Staat in meinen Augen nicht kürzen. Man kann Menschen nicht das Essen wegnehmen, um ihnen Beine zu machen. Grundsätzlich sehen die Kirchen die gesamte Sanktionspraxis kritisch.
Ab wann wird ein geringes Einkommen zum Stigma?
Büttner: Es gibt Menschen, die sind mit wenig Geld glücklich, und Geld ist auch nicht die Eintrittskarte für alles im Leben. Dennoch braucht man welches: Um den Nahverkehr zu nutzen, zu telefonieren, mit Freunden einen Kaffee zu trinken, am Schulausflug teilzunehmen. Natürlich gibt es für alles zusätzliche Geldtöpfe, und es ist toll, dass die Zivilgesellschaft so vieles ausgleicht. Doch um Geld zu bitten, ist immer mit Scham verbunden. Deshalb heißt unsere Initiative auch "Rechte statt Reste". Der Staat muss die Sozialleistungen armutsfest machen, damit dieses Geld eine stabile Grundlage für ein Leben in Würde ist. Wir fordern, dass das Existenzminimum neu berechnet wird, und zwar transparent, wissenschaftlich fundiert und unter Einbeziehung der Sozialverbände.
In Genf sprechen Sie und elf weitere Initiativen vor dem UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. Ein Staatssekretär des Bundessozialministeriums will bei einem Abendessen Ihre Argumente anhören. Was erhoffen Sie sich?
Büttner: Dieser Prozess ist eine tolle Gelegenheit für Initiativen wie uns, um mit den Entscheidern in Kontakt zu kommen. In der Kommission, die den UN-Sozialpakt in Deutschland überprüft, sitzen Menschen aus Indien, Russland und Surinam. Ich bin gespannt, wie sie die Tatsache bewerten, dass es in Deutschland Hunger gibt. Zum Gespräch mit dem Staatssekretär würde ich am liebsten eine Delegation Münchner Tafelkunden mit nach Genf nehmen: Dann könnten sie das Menü für 100 Franken genießen, für das sie als Hartz-IV-Empfänger in Deutschland drei Wochen fasten müssten. Sie könnten darüber berichten, wie es ihnen eigentlich geht - und ob sie ihren Lebensstandard für angemessen halten. Laut Bundesregierung ist er das.