Günter Wolf zieht die Augenbrauen hoch. "Dass das schon 50 Jahre her ist, das ist mir erst neulich bewusst geworden", sagt der heute 72-Jährige. Damals, im August 1972, gehörte der Wasserballer aus Würzburg zur Olympiamannschaft für die Spiele in München. Erst die Einladung zu einem Ehemaligentreffen rief ihm das Jubiläum in den Sinn. Dem Wasserball blieb der Olympionike auch nach 1972 treu - bis heute. Und:

"Eine Olympia-Teilnahme begleitet einen ein Leben lang."

Günter Wolf war damals Mathematik- und Physikstudent. Rund ein Jahr vor den Olympischen Spielen in München zeichnete sich ab, dass der junge Mann mit typischem 70er-Jahre-Vollbart wohl Teil der Olympiamannschaft werden würde. Die Würzburger Wasserballer vom SV 05 gehörten damals zu den besten in ganz Westdeutschland. Ab 1. Januar 1972 begann die Vorbereitung auf München: Zweimal täglich wurde trainiert, Zeit fürs Studium, für Nebenjobs oder Privates blieb kaum, erzählt Wolf.

Eher zufällig zum Wasserball gekommen

Zum Wasserball kam Wolf eher zufällig. Und für heutige Leistungssportverhältnisse auch eher spät: Mit 13 Jahren spielte er zum ersten Mal Wasserball, ein Freund hatte ihn überredet. Davor hatte er es mit Handball, Basketball und Tennis probiert - und Schwimmen, das konnte er auch ganz ordentlich. Sportliche Leistung zu zeigen, das war ihm immer schon wichtig. Zum 12. Geburtstag hatte er sich eine Stoppuhr gewünscht - und im Schwimmbad schwamm er Bahn um Bahn gegen die Zeit.

Spätestens mit 17 Jahren war klar, dass Wolfs Wasserballkarriere steil wird. Damals wurde er in die Jugendnationalmannschaft berufen, ab 1969 war er Mitglied der Herren-Nationalmannschaft. "Wir waren damals keine Profis, wie man das heute kennt", erinnert er sich: "Wir waren Amateure." Wolf wohnte bei seinen Eltern, in der Vorbereitungszeit bekam er die sogenannte Olympia-Hilfe - um die 200 D-Mark, "aber als Taschengeld ist man damit wirklich gut ausgekommen", berichtet Wolf.

Stimmung im Olympischen Dorf phänomenal

Bis heute ärgert sich Günter Wolf, dass er am 26. August 1972 nicht an der Eröffnungsfeier im neuen Olympiastadion teilgenommen hat: "Aber wir waren damals so fokussiert, so heiß auf unsere ersten Spiele im Dantebad, dass wir uns nicht ablenken lassen wollten." Die Stimmung im Olympischen Dorf, in der ganzen bayerischen Landeshauptstadt damals beschreibt Wolf heute als phänomenal:

"Für die Stadt war das eine Hochzeit. Die Stadt hat sich herausgeputzt, die Menschen waren zugewandt."

Sehr beeindruckend waren auch die Spiele der Finalrunde in der neuen Olympia-Schwimmhalle, sagt Wolf. Dass die Westdeutschen nach den letzten Spielen am 4. September damals knapp hinter den Wasserball-Nationen Sowjetunion, Ungarn und USA auf dem vierten Platz landeten - geschenkt. "Das war ein so großartiger Erfolg", sagt Wolf und ergänzt mit einem Lachen: "Dass die Blechmedaille so undankbar sein soll, das hat man uns dann eher in den Jahren danach ein bisschen eingeredet."

Olympia-Attentat: Spiele verlieren Unschuld

Nach den letzten Spielen wollten die deutschen Wasserballer die übrigen Olympia-Tage bis zum 11. September noch genießen. "Entspannt bei anderen Wettbewerben zuschauen, ein wenig feiern, was man als junger Mensch in einer größeren Stadt eben so macht. Doch dann kam der 5. September, der Tag des Olympia-Attentats.

"Wir kamen ins Olympische Dorf zurück, überall stand bewaffnete Polizei, das hat so gar nicht zu den 'heiteren Spielen', zur ausgelassenen Stimmung in München gepasst."

Schnell wurde Wolf und auch vielen seiner Teamkollegen klar, dass die Olympischen Sommerspiele von München mit dem tragischen Tod elf israelischer Athleten "ihre Unbeschwertheit, ihre Unschuld" verloren hatten, wie Wolf es heute nennt. Dass die Spiele nach einem Tag Pause weitergingen, hält er auch heute noch für richtig:

"Man darf sich Terror nicht beugen."

Gleichwohl fühlt er sich danach in München unwohl und reiste vor der Abschlussfeier ab: "Ich hatte Angst, dass noch mehr passiert."

Spiele in Kanada 1976 kein Vergleich

Vier Jahre später trat Wolf mit den Wasserballern in Montreal noch einmal bei Olympia an. Doch die Spiele von 1976 waren andere - auch wegen der Geschehnisse von München. Zum einen waren die Sicherheitsmaßnahmen schärfer, obschon im Vergleich zu heute eher lax. Zum anderen nahmen viele Bewohner der kanadischen Metropole die Olympischen Spiele in ihrer Stadt eher gleichgültig hin, statt sich dafür zu begeistern:

"Mit München 1972 jedenfalls nicht zu vergleichen."