Sie ist älter als die Reformation, doch die evangelische Geschichte Nördlingens ist ohne sie nicht denkbar: Die Kirche St. Georg entstand zwischen 1427 und 1505. Im Jahr 1523 wurde sie zur evangelischen Stadtkirche. Ihr mächtiger und dennoch schlichter Bau prägt das Stadtbild wie kein anderes Gebäude – nicht zuletzt durch den 90 Meter hohen Turm, den sogenannten Daniel.

Um die Geschichte der Kirche Interessierten und Touristen näherzubringen, bildete die evangelische Gemeinde ab 2010 eigene Kirchenführer aus. Pfarrer Martin Reuter baute damals ein engagiertes Team mit Ehrenamtlichen auf, von denen zumindest einer im Sommer täglich im Einsatz ist.

Führungen sind beliebt

»Die Führungen werden gut angenommen«, berichtet Dekan Gerhard Wolfermann. Ihm sei es ein großes Anliegen gewesen, »dass wir Sankt Georg auch als spirituellen Ort erfahrbar machen. Schließlich wollen Kirchenbauten ja zentrale Aussagen des christlichen Glaubens vermitteln.« Wolfermann freut sich daher, dass man mittlerweile einen Stamm von rund 30 Freiwilligen für die Führungen zur Verfügung hat.

Einer davon ist Markus Holzner. Der Lehrer aus Reimlingen hat an diesem Freitagvormittag Dienst. Er kümmert sich um die Familie Kohl aus dem hessischen Herborn, die Näheres über St. Georg erfahren will. Gleichzeitig erkunden einige weitere Touristen auf eigene Faust die Kirche.

Zu den Sehenswürdigkeiten des langen, lichtdurchfluteten Kirchenschiffs mit seinem Ziergewölbe, das erst nach Fertigstellung von Gebäude und Dach eingezogen wurde, gehört der berühmte Hochaltar mit den originalen spätgotischen Kreuzigungsfiguren von Nicolaus Gerhaert von Leiden aus dem Jahr 1462. Seine barocke Ummantelung stammt von 1683.

Taufstein aus Suevit

Davor steht der gotische Taufstein von 1492. Er sei ebenso aus dem Meteoritengestein Suevit gefertigt wie viele weitere Bauteile von Turm und Kirche, erläutert Markus Holzner. Hintergrund: Das Nördlinger Ries ist nach einem Meteoriteneinschlag vor rund 15 Millionen Jahren entstanden (siehe auch Kasten).

Als Nächstes zeigt Holzner den Besuchern das Sakramentshaus. Mit 16 Metern Höhe ist es eines der größten Deutschlands, nur in Ulm und Nürnberg gibt es höhere. Entstanden ist es ab 1511. Nachdem jedoch bis zur Fertigstellung 14 Jahre vergingen, wurde es seiner eigentlichen Bestimmung, der Aufbewahrung der Hostien, nie mehr gerecht. Denn bereits 1522 wurde die Reformation auch in der damaligen Freien Reichsstadt Nördlingen eingeführt.

Original-Chorgestühl von 1490

Die Führung geht schließlich an der östlichen Chorwand weiter, wo das Originalgestühl von 1490 mit vielen Schnitzereien zu sehen ist. Seine Klappbänke dienten auch als Stützen, dauerten Messen in Frühzeiten doch schon auch mal bis zu drei Stunden.

In die Nordwand eingelassen sind zwei Kapellen. Sie sind mit Epitaphien sowie Totenschilden aus der Geschichte Nördlingens versehen. Der spätgotische Altarschrein von Friedrich Herlin von 1462 sei 1971 bei Renovierungsarbeiten wiederentdeckt worden, erläutert der Kirchenführer, der den Gästen zum Abschluss in der Kirchenmitte schließlich die beeindruckende gotische Kanzel aus Sandstein aus dem Jahr 1499 präsentiert.

 

INFO

DIE FÜHRUNGEN IN ST. GEORG dauern 30 bis 45 Minuten. Sie finden im September montags bis freitags ab 11 Uhr, samstags, sonntags und feiertags ab 15.30 Uhr statt. Die Führungen sind kostenlos. Kostenpflichtige Themenführungen oder Führungen außerhalb der üblichen Zeiten kann man im Pfarramt anmelden: (0 90 81) 40 35.

DAUERTHEMA SANIERUNG

Suevit ist der Stein aus dem die Nördlinger Kirche St. Georg von 1427 bis 1505 erbaut wurde. Suevit ist ein sogenannter Impaktit, ein Gestein, das durch den Aufschlag eines Meteoriten entstanden ist. Neben zermahlenem Grundgestein und zu Glas erstarrten Schmelzen enthält Suevit einige Minerale, die nur bei extrem hohen Drücken und Temperaturen entstehen. Der Stein ist sehr witterungsanfällig. Erste größere Restaurierungen fanden daher bereits ab 1877 statt.

Nachdem im Zweiten Weltkrieg eine Fliegerbombe die 1889 aufgestellte Steinmeyer-Orgel und große Teile der alten Kirche zerstört hatte, wurde St. Georg wiederaufgebaut. Auch 1974 traf die Sankt-Georgs-Kirche noch mal ein Unglück, als die noch ältere Seitenorgel aus dem Jahr 1610 von einem Feuer zerstört wurde. Sie konnte im Stil der deutschen Spätrenaissance wieder originalgetreu aufgebaut werden. Im Jahr 1977 wurde auch die neue Hauptorgel auf der Westempore wieder eingeweiht. 2005 wurde sie überholt und auf 3468 Pfeifen erweitert. Doch auch danach gingen die Sanierungen für Turm und Kirche weiter. Sie werden – wie sich das für eine »richtige« mittelalterliche Großkirche gehört – wohl nie ganz abgeschlossen sein. (jim)

Die Nördlinger Stadtkirche St. Georg mit ihrem Turm, der den schönen Namen »Daniel« trägt.
»So, Gsell, so!«: Die Nördlinger Stadtkirche St. Georg mit ihrem Turm, der den schönen Namen »Daniel« trägt und bis heute einen Türmer beherbergt.
Das Kreuzrippengewölbe im Inneren der Nördlinger St. Georgskirche.
Das Kreuzrippengewölbe im Inneren der Nördlinger St. Georgskirche.
Blick vom Daniel auf die Nördlinger Altstadt und nach Norden ins Ries hinaus. Am Horizont ist der 25 Kilometer entfernte Hesselberg zu sehen.
Blick vom Daniel auf die Nördlinger Altstadt und nach Norden ins Ries hinaus. Am Horizont ist der 25 Kilometer entfernte Hesselberg zu sehen.