Alle Jahre wieder – kommt nicht nur das Christuskind, sondern auch die gute alte deutsche Integrationsdebatte. Die Aufhänger wechseln, der Ablauf aber bleibt immer gleich: Ressentiments, Pauschalverdächtigungen und Misstrauen prägen den Diskurs. 

Möglichkeit zur Einbürgerung vereinfacht

Aktuell ist das bei der Debatte um eine Vereinfachung von Einbürgerungen in Deutschland zu beobachten. Der Koalitionsvertrag der Ampel sieht dazu vor, dass die Aufenthaltsdauer in Deutschland bis zur Möglichkeit der Einbürgerung von acht auf fünf Jahre verkürzt wird. Zudem sollen die Sprachanforderungen für bestimmte Gruppen reduziert werden und mehrere Staatsbürgerschaften möglich sein.

Der Hintergrund ist folgender: In Deutschland leben viele Migrant*innen, die zwar hier arbeiten, hier Steuern zahlen und hier ihren Lebensmittelpunkt haben, aber aufgrund ihrer nicht vorhandenen Staatsbürgerschaft keine vollwertigen Bürger*innen sind. Zum Beispiel können sie nicht an Wahlen teilnehmen und somit politische Entscheidungen beeinflussen, die sie selbst betreffen. Keine gute Voraussetzung für Integration. 

Saftig populistisch statt sachlich

Nun müssen Oppositionsparteien Vorschläge der Regierung nicht gut finden, im Gegenteil, sie sollen sie konstruktiv kritisieren. Doch was von der Union bislang zu hören ist, ist wenig sachlich, sondern vielmehr saftig – und populistisch: Der deutsche Pass werde "verramscht", tönt Alexander Dobrindt (CSU) bei "Bild" und CDU-Innenexperte Stefan Heck redet von einer "inflationären Vergabe" deutscher Pässe. Heck dreht gleich noch ein bisschen weiter auf und behauptet, dass dies "enormen sozialen Sprengstoff" berge.

Einmal mehr wird Integration zu einem Kampfbegriff. Statt es Menschen, die lange hier leben, ganz pragmatisch ein bisschen einfacher zu machen, in Deutschland anzukommen und sich zu integrieren, setzt die Union (und ihrer Folge inzwischen auch die FDP, entgegen der Vereinbarung im Koalitionsvertrag) mal wieder auf Abschreckung und Abwehr vermeintlicher Eindringlinge. 

Grundsätzlich negatives Menschenbild überwinden

Das Abendland droht also mal wieder unterzugehen. Ähnlich wie bei der unsäglichen Debatte um das Bürgergeld zeigt sich dabei ein negatives Menschenbild, dass dem christlichen nebenbei kaum unähnlicher sein könnte: Grundsätzliches Misstrauen. Jede*r ist verdächtig. Der Mensch ist schlecht. Überall nur Betrüger*innen und Abzocker*innen. 

Die Realität ist eine ganz andere. Wer möchte, dass Menschen sich einer Gesellschaft zugehörig fühlen, der muss auch Angebote machen, muss Willkommensbereitschaft und nicht zuletzt Anerkennung zeigen. Misstrauen und Ausgrenzung sind dagegen keine gute Grundlage. Und sie sind auch nicht angebracht: Die allermeisten Menschen wollen sehr gerne Teil der Gesellschaft sein, in der sie leben, sie wollen partizipieren, wollen arbeiten, wollen sich integrieren. Man muss sie nur lassen. 

Aber ernsthaft zu glauben, Leute, denen man ständig signalisiert "Wir wollen dich hier nicht!", würden sich dann brav unterordnen und assimilieren (statt integrieren), ist realitätsfremd. Das Gegenteil ist der Fall: Wer sich nicht willkommen fühlt, geht entweder (besonders Fachkräfte ohne besondere Bindung an Deutschland) oder bleibt, aber unter sich und anderen, die nicht dazugehören. 

Mutig sein

Eine verunsicherte, verängstigte Gesellschaft muss sich abschotten und betrachtet alle, die neu dazu kommen, als potentielle Gefahr. Eine selbstbewusste Gesellschaft, die sich ihrer Werte sicher ist, ist offen für Menschen, die dazugehören wollen. Jedes Angebot zu mehr Teilhabe ist gut für die Demokratie. 

Dazu bedarf es eines gewissen Muts, eines Vertrauensvorschusses. Dass ohne diesen so gut wie nichts funktioniert, wissen gerade wir evangelischen Christ*innen. Wir sollten mutig sein, anstatt in Abwehrhaltungen zu erstarren.