Seit zwei Wochen sind Ferien in Bayern, aber in den Rektorenbüros herrscht Hochbetrieb. Der Grund: Das Kultusministerium hatte eine Überraschung zum Start in die Sommerpause parat. Weil der Lehrkräftemangel noch viel schlimmer ist als gedacht, heißt die Challenge für die Schulleiter zwischen Hof und Lindau jetzt im schönsten Behördendeutsch: "Regionalspezifisches Ausbalancieren von angespannten Personallagen".

Vor allem an Mittel- und Realschulen sieht es finster aus

Klar ist: Vor allem an den Mittel- und Realschulen schaut es auf Jahre hinweg finster aus, und auch die Grund- und Förderschulen sind chronisch unterversorgt. Die Behörden-Auguren, die jedes Jahr die "Bayerische Lehrerbedarfsprognose" errechnen, teilten im Juli 2022 mit, dass an den Mittel- und Realschulen die nächsten zehn Jahre lang jährlich (!) zwischen 200 und 600 nötiger Stellen nicht besetzt werden könnten.

Dabei hatte Kultusminister Piazolo noch im Herbst 2021 Kritik an der Personaldeckung von sich gewiesen: Noch nie habe es so viele Lehrkräfte in Bayern gegeben – "und es werden immer mehr".

Kaum ein Jahr später empfiehlt das Ministerium seinen Rektoren und Rektorinnen, im Herbst 2022 notfalls Unterrichtsangebote zu streichen. Kommt einem bekannt vor? Richtig: Erstklässler, die während Corona eingeschult wurden, kannten Schule nur als Lehranstalt für Deutsch, Mathe, HSU. Fächer wie Musik, Werken oder Förderunterricht, Soft Skills wie Klassendienst oder Gruppenarbeit fielen den Infektionsschutzmaßnahmen oder dem knappen Zeitbudget im rumpelnden Digitalunterricht zum Opfer.

Kann man machen. Aber Bildung geht anders.

Schnelle Lösung nicht in Sicht

Klar ist auch: Schnell lässt sich das Problem nicht lösen. Wer jetzt mit dem Studium beginnt, ist eben erst in fünf Jahren fertig. Und wie gewinnt man wieder mehr Menschen für den Lehrberuf? Gleiche Gehälter für Beamte von Grundschule bis Gymnasium, eine reformierte Ausbildung und weniger Zusatzaufgaben fordert der Bayerische Lehrerinnen- und Lehrerverband (BLLV) seit Jahren.

Noch wichtiger wären bessere Rahmenbedingungen für das tägliche Arbeiten. Wie sollen Lehrkräfte Kinder individuell fördern, wenn in manchen Klassen bis zu 33 Schüler mit unterschiedlichem familiärem Hintergrund sitzen? Inklusion, Digitalisierung, Zuwanderung – diese Herausforderungen stemmen Lehrkräfte seit Jahren on top zum Unterricht.

Mia san mia hat ausgedient

Der Freistaat hat sich jahrelang auf dem Glorienschein seines Bildungswesens ausgeruht. Jetzt müssen die Verantwortlichen eingestehen, dass alles Hosenträgerschnalzen nichts mehr hilft. Das "Mia san mia" hat ausgedient. Jetzt heißt es: Lederhosen aus und Blaumann an. Das Bildungssystem braucht eine Generalüberholung. Damit Menschen gerne Lehrer werden und Kinder Schule als Ort des Lernens, der Unterstützung und des persönlichen Wachstums erleben können.