Bundespräsident Steinmeier hat gerade Israel besucht. Eine Solidaritätsvisite in schwierigen Zeiten. In Israel wusste man das zu schätzen. Sowohl Staatspräsident Jitzchak Herzog als auch Premier Benjamin Netanjahu würdigten den Besuch als Zeichen der festen Unterstützung Deutschlands.
Steinmeier und Herzog sind befreundet. Gemeinsam besuchten sie den völlig zerstörten Kibbuz Beeri in der Nähe des Gazastreifens. Gegründet wurde der Kibbuz 1946 von deutschen Juden. Am 7. Oktober 2023 ermordeten Hamas-Terroristen jeden Zehnten der 1000 Dorfbewohner. Rund 50 Menschen verschleppten sie in den Gazastreifen.
Steinmeier zeigte sich schockiert von der Brutalität der palästinensischen Terroristen: "Wo Frauen vergewaltigt worden sind, Menschen in Schutzräumen verbrannt wurden, Kinder enthauptet – ich muss gestehen, bei alldem versagt auch mir die Sprache."
Das, wovor Juden aus Europa flohen, ist zur Wirklichkeit in ihrem eigenen Land geworden. Es ist ein moralischer Imperativ, dass "Nie wieder" heute auch heißen muss: "Free Gaza – from Hamas", Freiheit für Gaza – von der Hamas. Doch weltweit ist die Unmittelbarkeit des Schocks über den 7. Oktober bei vielen längst einem unerträglichen "Ja, aber" gewichen.
Während Steinmeier in Israel weilte, meldete die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (Rias), dass der Judenhass auch in Deutschland massiv angestiegen ist: 994 antisemitische Vorfälle wurden vom 7. Oktober bis zum 9. November bundesweit gemeldet, darunter ein Brandanschlag auf eine Synagoge. Jüdische Kinder werden von Mitschülern bedroht, Häuser, in den Juden leben, werden mit Davidsternen markiert, Fensterscheiben eingeschlagen.
Und in den "sozialen Medien" bekommen immer mehr Juden Morddrohungen. Das Internet ist zu einem der wichtigsten Orte des Hasses geworden.
Es ist ein Zeichen der Zeit, dass der Steinmeier-Besuch in Israel in der weltweiten medialen Resonanz überstrahlt wurde vom Israel-Besuch eines anderen "Staatsmanns", der jedoch Herr über das Social-Media-Imperium "X", vormals Twitter, ist: Elon Musk.
Premier Netanjahu besuchte mit dem Tech-Milliardär und Raumfahrtunternehmer das Dorf Kfar Aza, ebenfalls ein Schauplatz des grauenvollen Massakers. Auch Musk, der immer wieder durch Nähen zu rechten und antisemitischen Verschwörungserzählungen auffällig wurde, zeigte sich ergriffen. Die Fakten des 7. Oktober sind bekannt. Aber nur wer hinsieht, sich dem Geschehenen aussetzt, begreift, um was es geht.
Seinen Social-Media-Dienst "X" hat Musk im Bestreben, diesen zum Hort der Meinungsfreiheit zu machen, zu einer Schleuder des Hasses verkommen lassen. Anders als der deutsche Bundespräsident hat Musk tatsächlich unmittelbare Macht, etwas gegen den Judenhass zu tun. Ob er sie nutzen wird?
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