Die Corona-Pandemie hat nach Expertenmeinung negative Auswirkungen auf die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. Der seit Jahren zunehmende Bewegungsmangel habe sich durch Lockdowns und Kontaktbeschränkungen weiter verschärft, sagte Thomas Reiner vom Bayerischen Landes-Sportverband dem Sonntagsblatt anlässlich des Welttags des Purzelbaums (27. Mai). Dass Sportvereine während der Corona-Beschränkungen keine oder nur eingeschränkte Angebote machen konnten, sei für den Nachwuchs besonders belastend gewesen.
Viele haben Gleichgewichtsprobleme
Ähnliches hat auch der Bayerische Turnverband beobachtet: Diejenigen, die schon vor der Pandemie Gewichtsprobleme hatten, hätten nochmals an Gewicht zugelegt, sagte Astrid Hess, Vorsitzende Fachgebiet Kinderturnen im Bayerischen Turnverband, dem Sonntagsblatt.
Außerdem fehle es mehr Kindern und Jugendlichen an grundmotorischen Fähigkeiten. So hätten Fünfjährige beim Kinderturnen zum Beispiel Probleme, einen Kasten hochzuklettern, oder auch beim Rückwärtslaufen. Betroffen seien zuvorderst Kinder aus sozial schwächeren Familien.
Wenn Kinder in die Schule kommen, sollten sie eigentlich einbeinig springen können, doch viele könnten das Gleichgewicht nicht halten. Hess empfiehlt daher Eltern, ihre Kinder im Alltag zur Bewegung zu motivieren - sei es beim Hüpfen auf dem Sofa, beim Klettern auf den Baum, beim Balancieren auf Baumstämmen im Wald oder bei Hüpfspielen wie Gummitwist. Eltern sollten ihren Kindern dabei etwas zutrauen: Denn nur so lernten die Kinder, Gefahren richtig einzuschätzen.
Auch Thomas Reiner vom Bayerischen Landes-Sportverband sieht die Eltern in der Vorbildrolle: Denn Kinder machten nicht das, was man ihnen sage, sondern was man ihnen vorlebe. Von daher sei es am besten, wenn die Eltern selbst Sport treiben. So bekomme das Kind schon einmal eine positive Grundhaltung gegenüber sportlicher Betätigung.
Purzelbaum auch für Erwachsene gut
Gute Nachrichten gibt es in Sachen Purzelbaum: Den lernten bewegungsfreudige Kinder intuitiv, sagte Hess. Mehr als die Hälfte der Kinder könnten einen Purzelbaum, wenn sie in die Schule kommen. Und so funktioniert er:
"Kopf an die Brust, um rollen zu können, Hände daneben auf den Boden setzen, mit den Beinen abstoßen und über den Rücken rollen."
Mit dem richtigen Schwung und dem richtigen Timing werde der Purzelbaum auch gerade, sagte Hess.
Erwachsene täten sich schwer mit Purzelbäumen - einfach, weil sie verspannter seien als Kinder, sagte Hess. Thomas Reiner will daher auch Eltern ermutigen, mal einen Purzelbaum zu wagen. Denn der sei auch für Erwachsene eine tolle Übung für die körperliche Koordination und stärke Rücken- und Bauchmuskulatur.
Kinderturnen der beste Einstieg
Wenn Kinder in Vereine wollten, dann sei Kinderturnen als "Basisausbildung" der beste Einstieg, sagte Hess. Dabei gehe es nicht um Turnen an Geräten wie Reck oder Stufenbarren, sondern darum, Grundmotorik zu erlernen. Die Kinder könnten auf Bänken balancieren, auf dem Trampolin hüpfen, am Seil hin- und herschwingen oder kleine Parcours bewältigen. Dabei erlernten sie Fähigkeiten, die sie später für andere Sportarten wie Fußball oder Tennis bräuchten. Eine zu frühe Spezialisierung auf eine bestimmte Sportart sei nicht zu empfehlen, sagte Hess.
Wegen der Corona-Pandemie haben die Sportvereine in Bayern immer noch mit zurückgehenden Mitgliedszahlen zu kämpfen. Derzeit gebe es knapp 4,5 Millionen Mitglieder - 150.000 weniger als 2019 vor der Corona-Pandemie. Auch im Kinder- und Jugendbereich sind die Zahlen im selben Zeitraum zurückgegangen: von rund 1,4 Millionen auf jetzt 1,3 Millionen Mitglieder. Der Rückgang sei "vollumfänglich auf die Corona-Pandemie zurückzuführen", sagte Thomas Reiner. Vor der Pandemie hätten die Vereine jährlich Mitglieder hinzugewonnen.
Das Stichwort: Welttag des Purzelbaums
Am 27. Mai wird der "Welttag des Purzelbaums" gefeiert. Ins Leben gerufen hat ihn 2009 der evangelische Pfarrer Jörg Wilkesmann-Brandtner aus Rheinland-Pfalz - allerdings eher aus Jux und Tollerei. Auf seinem Blog "Theomix" postete er am 27. Mai 2009 das Gedicht "Der Purzelbaum" von Christian Morgenstern und überschrieb seinen Eintrag mit dem fiktiven "Welttag des Purzelbaums". Einen Tag später bekannte er: "Der Welttag des Purzelbaums war ganz und gar meine Idee!"
Die Vereinten Nationen (UN) hätten ziemlich viele Welttage in Umlauf gebracht, die zunächst eigenartig wirkten, aber einen ersten Hintergrund haben, etwa der Welttoilettentag, erläuterte er damals. Zu seinem Purzelbaumtag schrieb er, dass ihn manchmal die Lust am Karikieren packe. Es fördere den Weltfrieden, wenn es etwas zu lachen gibt: "Das wissen wir seit der Erfindung des Weltlachtags." Er dankte außerdem allen, die ihm den "Welttag des Purzelbaums" abgekauft hatten, verbunden mit dem Aufruf, nicht alles zu glauben, was im Internet steht.
Doch aus Spaß wurde ein Selbstläufer: Immer wieder berichteten Medien über den kuriosen Aktionstag, inzwischen gibt es spezielle Purzelbaum-Challenges, und Sportvereine nehmen den Tag zum Anlass, gezielt Kinder und Jugendliche anzusprechen. Die meisten Welttage wurden von den UN oder ihren Unterorganisationen ausgerufen, den ersten gab es 1947. Seitdem haben auch Privatleute oder PR-Agenturen immer wieder spaßige Welttage ins Leben gerufen, an denen sich viele Menschen beteiligen - etwa den Weltbarttag oder den Internationalen Tag der Jogginghose.